"Sleipnir II" - 6 mR Yacht
Text und Foto: Schleswiger Segel Kameradschaft (SSK)
Die 6mR-Yacht SLEIPNIR II wurde 1935 durch den Marine-Regatta-Verein (MRV) des Deutschen Marinebundes (DMB) für die Station Ostsee (Kiel) als 2. Yacht einer Reihe von 4 Yachten gleichen Namens des Typs 6mR bestellt. Gebaut wurde sie nach dem Entwurf von „Jimmy“ Rasmussen als Baunummer 2893 bei Abeking und Rasmussen (A&R) in Lemwerder bei Bremen. Ihre Abmessungen: 11,40 m Länge, 1,83 m Breite, 1,75 m Tiefgang und Segelfläche a.W. 46 qm.
Die vier 6 mR-Yachten namens „SLEIPNIR“:
•„SLEIPNIR I“, Baujahr 1934, Bau Nr. 2823, Segel Nr. ?
•„SLEIPNIR II“, Baujahr 1935, Bau Nr. 2893, Segel Nr. 6 G 17
•„SLEIPNIR III“, Baujahr 1936, Bau Nr. 2999, Segel Nr. 6 G 26
•„SLEIPNIR IV“, Baujahr 1939, Bau Nr. 3296, Segel Nr. 6 G 38
Genauso schnell und unermüdlich wie das sechsbeinige Pferd Odins sollten diese Yachten werden, um bei der Olympiade den Sieg zu erringen.
Die 6mR- Klasse war jahrelang in Deutschland vernachlässigt worden und es mußten neue Yachten her, um international Anschluß zu gewinnen. Eine rege Neubautätigkeit begann. Zu den ersten neuen Yachten gehörten „IRMI III“ für Lubinus (Kiel) und „SLEIPNIR I“ für den MRV 1934.
Bei den Regatten CUXHAVEN-HELGOLAND stellten sich keine Erfolge ein. Die ausländischen Teilnehmer hatten einfach mehr Erfahrung in bootsbauerischer Hinsicht. Weitere Erfahrungen versuchte man bei Regatten in Skandinavien zu erhalten.
Aufgrund dieser Erfahrung ließ der MRV im Winter 1934/35 im Auftrag des Marinebundes eine zweite 6 mR-Yacht bauen, unsere „SLEIPNIR II“. Gleichfalls bestellte Dr.Lubinus ein neues Boot („IRMI IV“) bei A&R nach den gleichen Rissen wie „SLEIPNIR II“. Die deutschen Segelmacher Meyer und Mählitz, die die errungenen Erfahrungen des Vorjahres mit den benutzten englischen Segeln von Ratsey auswerteten, ließen Ihre Erkenntnisse ebenfalls in die Neukonstruktion einfließen. „SLEIPNIR II“ wurde viertbestes Boot in der Gesamtwertung der Kieler Woche 1935 und ersegelte im Herbst vor HANKÖ (Schweden) unter dem späteren Admiral Rogge unter 25 Booten einen vielbeachteten 1. Preis ebenso wie in der Regatta HANKÖ-GOTENBURG. Im Anschluß daran gewann die Yacht vor Lysekil den Klassenwanderpreis für 6 mR-Yachten. Im Jahre 1935 nahm „SLEIPNIR II“ an über 40 Wettfahrten teil und zeigte, dass ein Großteil der ausländischen Überlegenheit, vor allem im skandinavischen, insbesondere norwegischen Raum, aufgeholt worden war. Beispiele für gelernte Erfahrungen waren:
• geänderte Mastverstagung
• geänderte Backstack- und Schotführung
• Stehenlassen des Spinnaker bei raumen und halben Wind
• geänderter Spinnakerschnitt
• Spinnakerbaum mit Vorholer, Niederholer, Toppnant
Im Winter 1935/36 bestellte der Marineregattaverein dann bei A&R die „SLEIPNIR III“, die für das bei der Olympiade 1936 zu erwartende leichte Herbstwetter konstruiert wurde. „SLEIPNIR I“ war nun kein ernsthafter Gegner mehr, wurde mit einer Kajüte versehen, der B- Klasse der Sechser zugeführt und auf den Namen „BALMUNG“ umgetauft.
Somit standen dem MRV im Olympischen Jahr 1936 die vom Kapitän zur See Schütz gesteuerte „SLEIPNIR II“ und die vom späteren Admiral Rogge gesteuerte „SLEIPNIR III“ zur Verfügung. Beide Yachten wurden in vergleichenden Trimmwettfahrten gegeneinander eingesetzt.
„SLEIPNIR II“ machte sich bei den Wettfahrten ganz vorzüglich, vor allem bei härterer Brise und Seegang, „SLEIPNIR III“ zeigte, wohl auch weil der beste Trimmzustand noch nicht gefunden war, noch keine wesentlichen Verbesserungen. „SLEIPNIR II“ erwies sich auch bei den Olympiaausscheidungswettfahrten unter Kapitän zur See Schütz als einer der härtesten Konkurrenten der späteren Olympiavertreter Dr.Lubinus (noch auf „IRMI IV“) und Thomsen (mit „GUSTEL IV“, Konstrukteur B.Wilke) und belegte den 4. Platz der Ausscheidungswettfahrten. „SLEIPNIR III“ konnte sich zunächst nicht durchsetzen, wohl auch weil KKpt Rogge als Steuermann erst zwei Tage vor der Ausscheidungswettfahrt von Bord der im Ausland liegenden „KARLSRUHE“ in Kiel eintraf. Der Auswahlausschuß für die Olympiateilnahme der 6 mR-Yachten entschied sich nach den Auswahlwettfahrten für die von B. Wilke konstruierte und gebaute „GUSTEL IV“ von Th.Thomsen mit Dr.Lubinus als Steuermann und dem Eigner an der Großschot. Das Boot konnte den 2.Platz beim Goldpokal der 6 mR-Yachten belegen.
Bei der im Anschluß an die Olympiade stattfindenen Kieler Woche schnitt „SLEIPNIR II“ nicht ganz so gut ab wie auf den Vorbereitungs- und Ausscheidungswettfahrten, während „SLEIPNIR III“ sich langsam aber stetig verbesserte und bewies, dass dieses Boot keine Fehlkonstruktion war, sondern es nur an der notwendigen Zeit gefehlt hatte, um das Boot in den nötigen Trimmzustand zu bringen. Zur „SLEIPNIR III“ ist festzustellen, dass die Linienführung des Schiffes sich nur minimal von dem amerikanischen „Wunderschiff“ „INDIAN SCOUT“ von H.F.Whinton, dem Goldpokalsieger 1936, unterschied. Die entscheidenen Unterschiede lagen
• in einer neuartigen Unterteilung des Riggs mit großem Vorsegeldreieck (geht nur zu 85 % in die Vermessung ein),
• entsprechend schmalem und hochstehendem Großsegel,
• extra für jede Windbedingung gefertigter passender, fabelhaft stehender Segel,
• im excellenten Trimmzustand des Bootes für jedes Wetter,
• und in der hervorragenden Steuermannskunst des Konstrukteurs, Erbauers und Steuermanns H.F. Whinton.
Dieses Schiff, die "Indian Scout", errang auch den Großteil der Preise der Kieler Woche 1936 und gewann die Olympiade.
Im Jahr 1937 gelang es „SLEIPNIR II“ in den Frühjahrswettfahrten, hinter dem deutschen Olympiavertreter Dr.Lubinus auf „IRMI V“ und „SLEIPNIR III“ unter Kapitän zur See Schütz den 3.Platz zu erringen. Die im Anschluß daran durchgeführte Deutsche Meisterschaft der Sechser gewann „SLEIPNIR II“ unter Kapitän zur See Schütz vor „SLEIPNIR III“ unter Rogge, „IRMI IV“ mit Dr.Lubinus sowie „ZOPPOT“ mit Dipl. Ing. Severin.
Während der Kieler Woche desselben Jahres belegte „SLEIPNIR II“ in der Gesamtwertung den 3. Platz.
Im darauf folgenden Jahr konnte die Yacht vor Genua im Februar je einen ersten, zweiten und dritten Platz unter dem bewährten Skipper Kapitän zur See Schütz mit seiner Mannschaft erringen. Am gleichen Ort gelang es im März (3.-6.), einen dritten Platz zu belegen. Die restlichen Rennen wurden auf dem 8. und 11. Platz beendet.
Während der Kieler Woche 1938 gelang „SLEIPNIR II“ wiederum der Sieg in einer Wettfahrt, sie belegte in der Gesamtwertung einen guten 4. Platz hinter dem an 2. Stelle liegenden Neubau „MICHAEL III“ und punktgleich mit Dr.Lubinus’ Neubau „IRMI V“.
Bei den Regatten um die Deutsche Meisterschaft in der 6 mR-Klasse konnte „SLEIPNIR II“ hinter dem Neubau „MICHAEL III“ von Dr.Collignon und vor dem jüngeren Schwesterschiff „SLEIPNIR III“ den 2. Platz erreichen. Den gleichen 2. Platz erreichte das Schiff bei den Kieler Herbstwettfahrten. Sie wurde während dieser Serie nur vom Neubau „IRMI V“ des Dr.Lubinus geschlagen.
Im Winter 1938/39 wurde durch den MRV bei A&R wiederum eine neue 6mR- Yacht in Auftrag gegeben, die „SLEIPNIR IV“. Diese Yacht war für eine neue Teilnahme an der Olympiade 1940 vorgesehen und wurde dem bewährten Skipper der „SLEIPNIR II“, Kapitän zur See Schütz, übergeben.
Dieser startete mit dem Schiff auch zu einer der ersten Regatten in Genua. Im Gegensatz zur alten „SLEIPNIR II“ und „III“ war dieser Neubau mit einem großen Vorsegeldreieck gebaut und für extrem leichte Winde konstruiert.
Die Olympiade, an der „SLEIPNIR IV“ teilnehmen sollte, fand im folgenden Jahr aus den bekannten Gründen nicht statt.
Der Verbleib von „SLEIPNIR II“ während der Kriegsjahre kann nicht genau geklärt werden. Die Yachten des MRV lagen zum Teil in Kiel oder in Flensburg. Fest steht, dass die Briten die Yachten „SLEIPNIR II“ und „IV“ als Kriegsbeute in den neu gegründeten „Britisch Kiel Yacht Club“ (BKYC) integrierten und für die eigene Segelausbildung nutzten. Der Verbleib von „SLEIPNIR III“ und „I“ (BALMUNG) ist unbekannt.
Die Engländer waren es auch, die ca. 1960 aus den reinen Regattaschiffen durch Aufbau einer Kajüte und den Einbau eines kleinen selbstlenzenden Cockpits zivile Tourenboote machten. Durch das dadurch erforderliche Höhersetzen des Baumes gingen auch 6 qm Segelfläche am Wind verloren. Trotz des Umbaus wurden die Yachten von den Engländern kaum genutzt, lange Zeit standen sie nur in einem Schuppen herum und wurden wenig gepflegt. In dieser Zeit begannen auch die Pioniere der Bundeswehr in Schleswig - Holstein wieder die Segelausbildung zu forcieren. Um die Segelausbildung sicherzustellen, wurden Segelyachten beim NATO- Partner im Britisch Kiel Yacht Club gechartert oder sogar für längere Zeit zur Ausbildung ausgeliehen.
Da sich der Zustand der Yachten ständig verschlechterte und die Pflege der alten Holzschiffe immer mehr Zeit erforderte, entschloß sich 1966 der BKYC, diese Yachten aus dem Bestand abzuschreiben, und so ging „SLEIPNIR II“ zusammen mit einer weiteren Yacht des ehemaligen MRV, dem 30 qm Seefahrtskreuzer „MEERKÖNIG“, Konstrukteur B.Wilke, Segelzeichen III GER 27, gebaut ebenfalls 1935, als „Spende“ am 23.03. 66 zu den Pionieren. Das Bundesministerium für Verteidigung genehmigte dann am 17.04.69 (nach 3 Jahren) die Schenkung und vereinnahmte die Boote in den Bestand. 1967/68 wurde „SLEIPNIR II“ im Marinearsenal in Kiel grundüberholt, u.a. das Heck um ca. 15 cm wegen schlechten Zustandes gekürzt; dabei wurden ca. 2000 Arbeitsstunden investiert und ca. 4000,- DM Material verbraucht. In dieser Zeit erhielt die Yacht eine neue Vermessung, da sie auf Regatten in der alten 6 mR- Klasse keine Chancen mehr hatte. Nach Überführung in die KR- Klasse führte die Yacht das Segelzeichen G 8/109 für kurze Zeit.
Ab Winter 1969/70 wurden die Winterarbeiten an „SLEIPNIR II“ zuständigkeitshalber durch die Marine an die Bootswerft Erberhardt in Arnis vergeben mit einem Kostenaufwand von ca.10.000,- DM pro Boot und mehr.
Seit 1980 betreut die Betriebssportgruppe Segeln SCHLESWIG (BSGS) in Zusammenarbeit mit der Schleswiger Segelkameradschaft e.V. „SLEIPNIR II“ und unterstützt weiterhin mit diesem Boot die Ausbildung der Fährenführer des PiBtl 620 sowie die vorgeschriebene Ausbildung der Pioniere in seglerischen Fertigkeiten. Die Instandsetzungs- und Unterhaltungskosten konnten durch freiwillige Eigenleistungen der Mitglieder auf ca. 3000-6000 DM heruntergeschraubt und die Ausrüstung dem modernen Stand der Technik angepaßt werden. Im Winter 1991/92 wurde das Boot mit einer GFK- Schicht überzogen.
Die bekannten weitesten Touren der Yacht auf eigenem Kiel nach dem Krieg waren Ausbildungstörns nach Oslo, Kalmar und nach Helgoland. Regatten wurden bestritten in Genua, vor Helgoland, Hankö, Lysekil, während der Kieler- und Travemünder- sowie Warnemünder-Woche.
Die Yacht verfügt nach wie vor über keine Einbaumaschine und wird mit dem originalen Rigg und den ursprünglich vorgesehenen 3 Salings sowie Backstagen betrieben. An moderner Ausrüstung ist ein Echolot, ein Seefunkgerät UKW sowie in nächster Zeit eine GPS- Anlage vorgesehen. Ein Teil der alten Trimmanlage ist nicht mehr funktionsfähig (Verstellung des Mastfußes) und die Reffeinrichtung wurde modernen Gegebenheiten angepaßt. Durch den GFK- Überzug und den Einzug von Stahlspanten zur Sicherung der Stabilität sowie Verbesserung des Innenausbaus erhöhte sich die Verdrängung der Yacht auf 6,5 to.