"Sitta" - Vertenskreuzer - 30-qm Einheitsklasse des D.S.Vb
Text: Klaus-Peter Bauer, Titelfoto Yachtbild Kai Greiser
Die Geschichte des Vertenskreuzers 'SITTA', Segelzeichen Karo, Baunummer 20, kurz Karo20, ist zwar nicht untrennbar mit der des Vertenskreuzers Karo21 verbunden - Karo20 ist seit über 20 Jahren an der Flensburger Förde beheimatet, Karo21 segelt jetzt als 'GITANO' auf dem Bodensee - dennoch gibt es eine enge Gemeinsamkeit.
Und die ergab sich wie folgt:
Im Jahre 1937 entschloss sich Herr Heinz Meyen, bisher erfolgreicher Regattasegler der 30-qm Schärenkreuzer 'SITTA 1-6', zusammen mit seinem Freund Kurt Greve, die Klasse zu wechseln. Nach einiger Überlegung kam man überein, der KARO-Klasse, also besagtem 30-qm Einheits-Küstenkreuzer, entworfen von Karl Vertens, den Vorzug zu geben. Gemeinsam wurde sodann ein Auftrag für den Bau zweier Zwillings-Schiffe an die Werft . Matthiessen & Paulsen vergeben, Herr Meyen erhielt von seinem Freund freie Hand bezüglich Bauaufsicht und Einrichtung. Es sollten schließlich zwei vollkommen identische Schiffe entstehen. Für den Bau suchte er persönlich einen schönen Stamm aus Tabasco-Mahagoni aus. Die Kiele wurden für ihn auf der Ahlmann-Hütte in Rendsburg gegossen und besonders glatt geschliffen.
Herr Meyen schreibt in seinem Logbuch: Der Bau war ein Höhepunkt meines Seglerslebens und eine reine Freude. Die Werft tat ihr Bestes und es liefen zwei herrliche Schiffe mit den Nummern Karo20 und Karo21 vom Stapel.
Durch Los wurde Herrn Meyen Karo21 als 'SITTA 7' zugesprochen. Nach vielen erfolgreichen Regatten verkaufte er kurz vor Kriegsausbruch das Boot an einen Flensburger Brauereidirektor. Nach Kriegsende erwarb es dann ein Herr Herrmann Ibbeken und damit verliert sich die Spur von Karo21 zumindest für mich.
Im Jahre 1941 kaufte Herr Meyen Karo20 von seinem Freund Kurt Greve und nannte es 'SITTA 8'. In seinem Logbuch schreibt er von vielen herrlichen Segelfahrten auf der Schlei, die er trotz der Kriegsjahre unternehmen konnte. Während der folgenden Besatzungszeit wurde das Boot in Winning beschlagnahmt und ging dort unter. Herr Meyen gab aber nicht auf, erhielt das Boot zurück und versetzte es wieder in einen segelfertigen Zustand.
Für Herrn Meyen folgten nun viele schöne Fahrten auf der Schlei und ausgedehnte Reisen nach Kopenhagen und Schweden. Er bezeichnete 'SITTA' als glückhaftes Schiff, das ohne Havarie und Mastbruch allen Wetterlagen trotzte.
Aus Altersgründen ( „die Zeit der großen Fahrten ist nun für mich vorbei“) verkaufte er das Boot an Herrn Hans-Otto Wolff im Jahre 1963, der es bis Mitte der 70er Jahre segelte und es dann aus gesundheitlichen Gründen an Herrn Sönke Claus weitergab.
Von Herrn Wolff habe ich zu treuen Händen das Logbuch und diverse Fotos erhalten, die Karo20 zusammen mit Karo3 sowie Karo21 und Karol6 auf ihrem Stammrevier, der Schlei, zeigen.
Im Juli 1979 erwarb ich das Boot von Herrn Claus und überführte es in die Flensburger Förde, die seit nunmehr über 20 Jahren seine Heimat ist und auf der es überwiegend gesegelt wird.
Karo 21 und Karo? auf der Schlei vor Lindaunis; Karo3 und Karo20 auf der Schlei
Wie ich zu dem Boot kam:
Während des Schneewinters 1978/1979 spazierte ich mit meiner Familie bei herrlichem Winterwetter über den zugefrorenen Glücksburger Yachthafen. Tief eingeschneit und vom Eis eingeschlossen lag dort eine Mahagoni-Yacht, deren Linien mich sofort begeisterten. Es war, wie sich später herausstellte, der Vertenskreuzer Karo 6, die damalige 'GODENWIND'.
Als dann im Sommer die 'SITTA' inseriert wurde, gab es für mich (und natürlich auch für die Familie) kein Halten mehr. Trotz erkennbarem Überholungsbedarf kaufte ich das Boot und brachte es nach Flensburg. .
Es folgten viele schöne Segeltage und Wochenenden, die wir überwiegend auf der Förde verbrachten. Natürlich, wen wird es überraschen, gab es daneben unzählige Arbeitstage, die ich rund um das Boot verbrachte. Obwohl im Kern gesund, wollten die Arbeiten aber kein Ende nehmen. Es kam eines zum anderen. Letztendlich musste ich erkennen, dass meine handwerklichen Fähigkeiten und Möglichkeiten, sowie die mir damals zur Verfügung stehende Freizeit nicht ausreichen würden, das Boot in den von mir gewünschten Zustand zu versetzen.
Nach einem Gespräch mit Herrn Paulsen von M&P segelte ich das Boot nach Arnis. Dort wurde es grundüberholt und befindet sich jetzt in einem sehr guten originalen Zustand. -
Das Boot bereitet mir/uns sehr viel Freude und es soll so lange wie möglich in unserem Besitz bleiben.
Die Konstruktion:
.Der Bootstyp wurde von Karl Vertens auf seiner Werft in Winning bei Schleswig konstruiert und vom DSV als 30-qm Einheitsklasse zugelassen. Es wurde vor allem an der Schlei, in Berlin und auf dem Bodensee gesegelt. Für das Boot hat sich auch die Bezeichnung ' Vertenskreuzer' durchgesetzt. Zu erkennen ist es aber immer am Segelzeichen 'KARO'.
Näheres kann in der Yacht Nr. 4/1933, enthalten im Yachtsportarchiv, nachgelesen werden.
Vertenskreuzer auf der Flensburger Förde:
Bereits in den 30-er Jahren segelten Vertenskreuzer als Ausbildungsboote der Yachtschule vor Glücksburg. Es waren dies Karo 9, 10 und 11. Sie sind auf alten Postkarten zu erkennen und auch in Berichten der Flensburger Illustrierten Nachrichten von 1936 und 1940 abgebildet. Ebenfalls berichtet wird in einer Ausgabe von 1936 über Karo6, die 'Godenwind'. Nebenbei möchte ich noch auf ein Bild hinweisen, das Karo20 zusammen mit Karo7 und vermutlich Karo21 sowie zwei Walbooten während der Kieler Woche 1938 zeigt ( Delius &.Klasing, 100 Jahre Kieler Woche, Seite 48 ).
Als ich Karo20 1979 in die Förde überführte, segelten hier noch folgende Vertenskreuzer:
Karol als'Vineta'
Karo2 als'Krolle Bolle'
Karo5 als'Peter'
Karo6 als'Pretty Boat'
KarolO als 'Holnis'
Karoll als ?
Besonders mit Karo2 und Karo5 ergab sich des öfteren die Gelegenheit, neben anderen alten Yachten, die es damals noch gab, die Kräfte bei Regatten zu messen. Leider sind nun alle 'Karos' und, bis auf wenige Ausnahmen, auch alle anderen Klassiker aus der Förde verschwunden. Die Zeiten, in denen man angesprochen wurde ( das ist doch ein Vertenskreuzer ) und es dabei zur Fachsimpelei kam, sind ebenfalls vorbei.
Als letzter Vertenskreuzer segle ich nun auf der Förde und erfreue mich an dem Boot. Selbst schön etwas in die Jahre gekommen, bin ich eigentlich ganz froh, es nun für mich und das Boot etwas gemütlicher zu haben. Sich auf Klubregatten mit modernen Booten zu messen, macht einfach keinen Sinn mehr.
Ehrensache ist natürlich die Teilnahme an der Klassiker-Regatta in Flensburg. Aber auch hier gilt für mich der olympische Gedanke: nicht siegen, dabeisein ist wichtig, was regelmäßig meine hinteren Plätze in der Klassenwertung belegen. Außerdem ist mein Vertenskreuzer nicht so schnell wie ein Drachen.
PS: SITTA ist der Name der Tochter von König Biarkadiet aus der Ballade 'Das Seidene Haar'