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"Scottie / Illusion" - 7 Segellängen Yacht

Text und Fotos: Ewan Kennedy bzw. Hans Heckmann

 

SCOTTIE lebt

Ewan Kennedy, Mitglied des Freundeskreises aus Schottland, berichtete in einem Schreiben im August 98 begeistert von Plänen einer Yacht, auf die er bei Forschungen im Stadtarchiv von Glasgow gestoßen war. Ihr Name: Scottie, 1906 auf deutsche Rechnung in Glasgow gebaut. Ewan Kennedy: "Es wäre interessant, Näheres über das Schicksal von Scottie nach 1907 zu erfahren und ob sie nach über 90 Jahren noch existiert."

Im Archiv der Stadt Glasgow befindet sich ein Satz von Konstruktionsplänen einer schönen deutschen Yacht. Alles ist vorhanden - einschließlich der Gesamtgestaltung, der allgemeinen Arrangements, Besegelung, Konstruktionszeichnungen, Details der Holzbauteile und maßstabsgerechte Zeichungen für viele einzelne Bauteile. Wenn man sie heute bauen möchte, müßte man nur die amtliche Genehmigung erneuern, da die Pläne ja vom Germanischen Lloyd in Berlin im Februar 1906 genehmigt wurden, diese Genehmigung aber nur eine Gültigkeit von neun Jahren hatte.

Im Sommer 1905 erhielt der junge Schiffbauer Alfred Mylne einen Auftrag, unter der Bedingung einer gewissen Geheimhaltung, einen Rennkreuzer der Klasse 7 nach den alten deutsch-dänischen Vorschriften zu bauen. Mylne hatte bei dem legendären G.L.Watson eine Lehre absolviert, wo er an der Konstruktion der 'Britannia' beteiligt war, und ab 1905 war er ungefähr 10 Jahre lang selbständig tätig. Während dieser Zeit brachte er eine Anzahl höchst erfolgreicher Rennyachten heraus, die hauptsächlich am Clyde Firth in Schottland gebaut wurden, und er genoß beträchtliche örtliche Popularität. Der Auftrag von 1905 war seine erste Konstruktion einer Klasse 7-Yacht, die scheinbar nur von der Sonderklasse in Bezug auf ihre Wettbewerbsstärke übertroffen wurde.

Der Anfang dieses Jahrhunderts war eine Blütezeit der Spionage aller Art, und der Yachtbau machte da keine Ausnahme. Alfred Mylne ermöglichte es seinem Freund Edmund Nordheim, die vorhandenen Schiffe zu prüfen, und schickte ihm detaillierte Maßangaben. Nordheim schickte ihm am 6. September 1905 folgende Mitteilung: "Bitte beschaffen Sie mir alle möglichen Unterlagen über einige moderne deutsche Rennkreuzer der Klasse 7. Dem Vernehmen nach wird die 'Leipzig' hierher geschleppt, und wenn es mir gelingt, werde ich sie mir anschauen und Bericht erstatten."

Dies wurde begleitet von den Abmessungen der Sirene, Sigrun, Charles, Harald, Tom Kyle, Rana, Leipzig und Ilse. Es scheint, daß die von Hacht 1903 gebaute 'Leipzig' und die von Oertz gebaute 'Rana' die führenden ihrer Klasse waren.
Die von Alfred Mylne gefertigten Zeichnungen sind Meisterwerke technischen Zeichnens. Äußerste Sorgfalt wurde auf alle Einzelheiten verwandt und nichts dem Zufalle oder der Laune des Bootsbauers überlassen. Alle Maße sind nicht metrisch, sondern in Fuß, Zoll oder Inch-Bruchteilen, da das neue Schiff von der führenden schottischen Werft Robertsons in Sandbank mit der Besegelung von John McKenzie in Greenock gebaut werden sollte. Die Pläne zeigen eine elegante und schnittige Rennmaschine mit relativ begrenztem Kabinenraum. Alfred Mylne neigte dazu, Konstruktionen zu entwerfen mit dem Gespür für Linienführung und Seeverhalten, und kannte kein Zugeständnis für Komfort auf Kosten der Renngeschwindigkeit..
Das neue Schiff erhielt den Namen 'Scottie' und erschien auf der Ostsee-Regattaszene im Jahr 1906. Es war auf Anhieb erfolgreich und gewann in den ersten beiden Saisons 41 Rennen. Unterlagen belegen, daß sie in der Saison von 1907 in 33 Rennen startete. Sie war erste in Hamburg am 5., 12. und 26. Mai und in Kiel am 19. und 22. Juni. Am 27. Juni wurde sie in Kiel 3. und siegte dann am 7. Juli in Kopenhagen, ehe sie die Rennen nach Helsingborg am 11. Juli gewann. Am 28. Juli wurde sie in Stockholm 3., ehe sie dort am 2., 4. und 5. August und auch in Hamburg am 25. August siegte. Danach kam sie nach Berlin, wo sie sechs mal gewann und die Saison mit zwei weiteren Siegen in Hamburg beendete.

Aus unseren Unterlagen in Glasgow geht nicht hervor, wer Eigner dieser herrlichen Yacht war und sie so erfolgreich steuerte. Obwohl Rennyachten gewöhnlich nicht auf lange Lebensdauer ausgelegt sind, hatte Robertsons Werft einen besonderen Ruf für Qualität und Rubustheit. Es wäre interessant näheres über das Schicksal von 'Scottie' nach 1907 zu erfahren und ob sie nach über 90 Jahren noch existiert.
(E. Kennedy)

 

 

Scottie lebt!

Und zwar in Berlin als 'Illusion'.Ihr heutiger Eigner Eigner Hans Heckmann hat den Lebenslauf seiner Yacht und seine Nachforschungen aufgezeichnet:
Ich fand das Schiff, damals 'Möwe', vor 45 Jahren auf Gelände meines Vereins, des Berliner Yacht Clubs, hoch und sehr trocken auf nur einem Pall aus Ziegelsteinen gesetzt und von zwei wackeligen Böcken gestützt. Vom Bergungsamt des Berliner Magistrats konnte ich die 'Möwe' für 500 RM noch 1946 erwerben. 'Möwe' war eine hohle Schale ohne Mast, ohne Großbaum, ohne Segel, aber es gab einen Admiralitätsanker mit Kette und eine schmiedeeiserne Pinne.

Nach vielen Arbeitsstunden wurde das Schiff seinem Element übergeben, und gleich gab es einen ersten Regattaeinsatz: Die 'Illusion' war mangels sonstiger schwimmbarer Prähme Startschiff. Ein erster Mast, schwarz-weiß gestrichen mit einem roten Korbball ragte in der Mastspur. Der erste Kanonendonner aus unserer nun schon historischen Startkanone aus Messing erschreckte die Umwelt. Eine zusammengewürfelte Menge unterschiedlicher Bootstypen machte sich auf die Bahn.
Es fiel dann doch sehr ins Auge, daß ein Mast her mußte. Der wurde aus einem übriggebliebenen Doyermast von Werftmeister Blumentritt gebaut, ein Segel fand sich, und kein geringerer als Yachtkonstrukteur Reinhold Drewitz machte einen neuen Riß. Die neue Takelung erschreckte erfahrene Segler: Der Mast ist viel zu hoch. Das kann nie gut gehen. Der Mast war zuvor wohl nur etwa 9 Meter hoch gewesen.

Zur Vorgeschichte der Yacht wußte ich zunächst nichts. Willi Raatsch aber, unser Kommodore, hatte dieses Boot als harte Konkurrenz in der Klasse der Sieben-Segellängen-Kreuzeryachten als Gegner der 'Marie Florie' kennengelernt. Das Schiff mit dem Namen 'Scotti' kam, meist bei raumen Kursen, oft bedrohlich in seine Nähe. Er sagte: "Sehen Sie mal nach in den 'Yacht'en der Jahrgänge 1906, 1907!". Die Redaktion der Zeitschrift schickte mir dann zehn Hinweise auf das Vorleben der heutigen 'Illusion', dabei wurde der Name 'Scotti' zum Schlüssel des Sucherfolgs.

Das hohe Alter der Sieben-Segellänge-Kreuzeryacht mit Baujahr 1906 gab Veranlassung, nach der Yachtwerft zu suchen, die sie erbaute. Dieter Monheim wußte Rat - Wenn Die 'Illusion' von Mylne entworfen worden ist, stammt sie aus Schottland, Glasgow. Dieter Monheim kennt die Reviere um England und Schottland durch seine Cowes-Regatten ausgezeichnet. Die Yacht seines Sohnes Peter wurde in Glasgow bei der gleichen Werft gebaut. Es entwickelte sich ein lebhafter Schriftverkehr. Bald erfuhr ich, daß M. Mylne und auch dessen Sohn inzwischen verstorben waren. Die Yachtwerft wird jetzt unter dem Namen "Nicolsen" weitergeführt. M. Nicolsen selbst gab mir Nachricht, daß viele alte Konstruktionspläne 80 Meilen von der Werft entfernt in einem klimatisierten Raum aufbewahrt werden. Die Baunummer der 'Scottie' läge vor - da werden auch die Pläne zu finden sein!

Gegen einen Obulus werde man sich auf die Suche machen. Dieser wurde nach langem Nachdenken entrichtet, und es dauerte nicht lange, da kam an einem Abend um 21.45 Uhr ein reitender Bote der Deutschen Bundespost mit einer gewaltigen Rolle Expressgut. Nun Lagen die Pläne auf dem Tisch: Alle Einzelheiten zur Konstruktion und zum Material waren vermerkt. Es fehlte auch nicht der Hinweis zur Beschaffung der Kielbolzen, selbstredend in Zollangaben, besonderes Merkmal: Phosphorbronze. Sehr eindrucksvoll prangt der Prüfstempel des "Germanischen Lloyd,5.th February 1906" auf einer der Zeichnungen. Die großen Zeichnungen haben wir mit Hilfe moderner Technik auf DIN A4 schrumpfen lassen. Marianne Nehls hat sich die Mühe gegeben, die markanten Linien mit einer Unmenge von Kurvenliniealen zu verdeutlichen
Inzwischen wird die 'Illusion' von der dritten Generation in der Famile Heckmann gesegelt. Die Yacht freut sich auf eine neue Saison und auf eine gar jugendliche Crew, die sie an den Mittwoch-Abenden in Schwung bringen wird -sofern die Winde wehen!

Aus Mitteilungsblatt 10 / 99