"Alraune" - 80 qm Seefahrtkreuzer
Text: W. Horns, Foto: Yachtbild Kai Greiser
Als der Deutsche Seglerverband 1927 die Klassenvorschriften der neuen Seefahrtklassen herausgab, wurde von den an Seesegelei interessierten Kreisen das erste Erscheinen eines solchen Typs nur mit geteilter Spannung erwartet. Waren doch damals eher die Schärenkreuzerklassen anläßlich der Amerikarennen in aller Munde. Zudem war der Bau eines Seefahrtkreuzers nicht gerade billig.
Als wohl erstes Fahrzeug der neuen Seekreuzerklassen wurde im Winter 27/28 der 80er Seefahrtkreuzer „Athena“ bei A&R nach Plänen von H. Rasmussen gebaut.
In der „Yacht“ 51/1928 wird berichtet: „Die „Athena“ hat in diesem Sommer unter Führung ihres Eigners, Herrn Eduard Schilling, Bremen, an vielen Regatten, an der Nordseewoche und Kieler Woche teilgenommen, hat außerdem viele Turen- und Kreuzfahrten unternommen, wobei sie sich ebenso sehr als steifes handiges Seeboot wie als vorzügliches Regattaboot bewährte. So war es der Athena z.B. schon bei leichter bis mittlerer Brise möglich, in der Kieler Woche die Nationale 75qm Kreuzeryacht „Kolibri“ sowie die frühere Nationale 125qm Kreuzeryacht „Cilla“ zu schlagen. Dieses bei aller kräftigen seemäßigen Ausführung und Formgebung doch elegant wirkende Fahrzeug hat überall, wo es sich zeigen konnte, großen Beifall gefunden...“
Eduard Schilling, der 1959 1. Vorsitzender des WYC werden sollte und als einer der großen Mäzene des Bremer Sports gilt, sowie ab 1930 als neuer Eigner der Bremer Konsul Nebelthau, der die „Athena“ in „Ran“ nach der Gemahlin des germanischen Meergottes Aegir umbenannte, fuhren insgesamt 86 erste Preise ein, wie der WYC nachgerechnet hat.
Das Kriegsende überlebte die „Ran“ in der Lesum vor Nebelthaus Privatgrundstück. In einem Artikel Klaus Kramers für das Freundeskreis-Heft (wie auch detailliert in mehreren Passagen eines Buches zum 100. des WYC) ist nachzulesen, was dann geschah: Alle größeren Schiffe des WYC wurden von den Alliierten beschlagnahmt. „Da sowohl die im Clubhaus kampierenden Engländer als auch die anrückenden Amerikaner hinter den Yachten her waren, bewachten sich die befreundeten Siegermächte mit in Stellung gebrachten Maschinengewehren gegenseitig. Jede Partei wollte verhindern, daß sich die jeweils andere Seite der Schiffe bemächtigt. Nach einigen Tagen mußten die Engländer das Clubhaus räumen und die begehrte Beute den GI’s überlassen. Obwohl die Engländer, die nun im Raum Bad Pyrmont/Oeyenhausen stationiert waren, wiederholt versuchten, die Yachten bei Nacht und Nebel mit großen Militärtransportern zu entführen, scheiterten ihre Unternehmungen jedesmal an der korrekt handelnden amerikanischen Militärkommandantur.“
Mit dem Ende der Militärregierung wurden die beschlagnahmten Schiffe rückübereignet.
1953 sind als Eigner die Herren Nebelthau und Scholle eingetragen, Schiffsname jetzt „Ariadne“. 1960 übernahm Herr Petersen (Glücksburg) die Ex-Athena und nannte sie „Troll“. Ab 1972 hieß sie wieder „Ariadne“, Eigner nun Herr Löwer aus Heiligenhof.
Michael Felgendreher übernahm 1982 das Schiff und taufte es auf den Namen „Alraune“ nach dem gleichnamigen glückbringenden Wurzelweibchen.
1994 war erneut Eignerwechsel angesagt. Dr. Volker Müller ließ bei Walsted die „Alraune“ von Grund auf renovieren: Kiel, Planken im Unterwasserschiffbereich, Deck, die Inneneinrichtung und ein hervorragendes Lackfinish gehörten dazu. Heimathafen des ersten Restaurierungspreisträgers des Freundeskreises ist heute Kiel.
Inneneinrichtung unverändert: hier ein Foto von 1928
Empfehlenswerte Lektüre: Klaus Kramer: Seefahrtkreuzer - seetüchtig, wohnlich, schnell (in Heft 3 der Freundeskreis-Blätter)