"Ajosa"
Text, Fotos: L. Sasse
Foto: K. Greiser, www.yachtbild.de
Die Geschichte der AJOSA begann mit der MAR I SOL, einer Spreizgaffel Ketsch, die sich Herr Feldhoff (Wuppertal) 1938 bei Abeking und Rasmussen in Lemwerder bauen ließ. Die MAR I SOL war Herrn Feldhoff zu klein und so ließ er sich bei A&R ein neues Schiff bauen - die HOG STEAN, eine 50' Fahrtenyacht, die im September 1939 unter der Baunummer 3336 als letzte Yacht vor dem Krieg von A&R abgeliefert wurde. Der Heimathafen war Düsseldorf am Rhein und so wurde das Schiff mit möglichst wenig Tiefgang gebaut und mit Jüttbäumen versehen, um den Mast zu legen.
Die erste Prüfung hatte die HOG STEAN schon auf der Überführungsreise von der Weser in den Rhein zu überstehen. Das Schiff segelte mit starkem achterlichen Wind nach Westen. Auf der Höhe von Ijmuiden verlor der Steuermann für einen Moment die Kontrolle über das Schiff und fuhr eine Patenthalse, wobei die wild schlagende Großschot die Steuersäule schwer beschädigte, dennoch erreichten Schiff und Crew den Heimathafen. Feldhoff plante mit seiner Frau lange ausgedehnte Segelreisen auf der Nordsee - nach Bergen oder die Faroerinseln. Die Eignerkammer war sehr spartanisch eingerichtet, man schlief auf Rohrkojen. Im Gegensatz dazu war der Salon aufs Feinste in Mahagoni ausgebaut, denn der Eigner legte Wert darauf, Freunde, Gäste oder Offizielle in den Häfen ordentlich zu empfangen und zu bewirten.
Dazu sollte es aber gar nicht kommen, der Krieg machte den Reiseplänen einen Strich durch die Rechnung.
MAR I SOL und HOG STEAN, heute STELLA und AJOSA, 2008 Seit' an Seit'
1942 verkaufte Herr Feldhoff die HOG STEAN an Herrn Goebels. Dieser hatte eine Motoryacht, die jedoch 1939 mit ihm eingezogen wurde, um auf dem NOK und vor den Seeschleusen zu patrouillieren und ggf. Minen aufzuspüren. Da Goebels nicht damit rechnete, in absehbarer Zeit sein eingezogenes Schiff wiederzubekommen, entschloss er sich zu diesem Kauf.
Es begann das gleiche Spiel um die richtige Größe, welches Feldhoff schon mit MAR I SOL aufgeführt hatte.
Feldhoff hatte eigentlich die HOG STEAN schon Hein Ranz versprochen. Goebels wusste davon und sicherte sich über den Makler Adolph Fricke die HUTSCHI III (50iger Seefahrtskreuzer, A&R, Bau Nr. 3149 /1937), welche noch im Besitz von Herrn Präsent war und verkauft werden sollte.
Mit der Zusicherung der HUTSCHI III fuhr Goebels nach Düsseldorf und überredete Hein Ranz, doch ihm die HOG STEAN zu überlassen, denn für den Rhein sei das Schiff doch viel zu groß, wohingegen die HUTSCHI III gerade das Richtige wäre und bestens in den Yachthafen und das Revier passen würde.
Hein Ranz stimmte zu und Goebels hatte nun die "WEGA" ex HOG STEAN.
Auf See durfte zu dieser Zeit nicht mehr gesegelt werden und so wurde die WEGA über die Kanäle ( Rhein - Herne - u. Mittellandkanal) in die Elbe überführt. Die Überführung zurück an's Meer war nicht weniger abenteuerlich als die erste Reise über's Meer (s.o.).
Das Schiff durfte nicht unter eigener Maschine laufen, aber freundliche Binnenschiffer nahmen sie in Schlepp und reichten hier und da auch mal etwas Diesel 'rüber, im ollen Zinkeimer versteht sich.
Auf der Elbe angekommen, stand der Pegel an der Barre Magdeburg bei 1,80 Meter, das Schiff hat einen Tiefgang von 2,08 m. Stromab Richtung Hamburg ist die Fahrrinne zwar tiefer, aber man muss sie genau kennen.
Gegen einen halben Schinken wurde ein Lotse gewonnen, der das Schiff unter eigener Maschine!! bis nach Finkenwerder steuerte. Hier übernahm ein betagter "Klütenewer" wieder das Schlepptau und es ging weiter bis nach Lühesand, wo sich der Ewer für die Nacht auf Schiet legte. Die nicht vorgewarnte Crew schmiss eilig das Schlepptau los und rauschte querab ebenfalls auf Schiet. Am nächsten Morgen ging es mit auflaufendem Wasser bis in die Schleuse Brunsbüttel. Weiter, wieder heimlich unter Maschine, den Kanal entlang bis Rendsburg und dann durch den Gieselau - Stichkanal in die Eider nach Friedrichstadt, den neuen Heimathafen für die nächsten Jahre.
An Segeln war erst einmal nicht zu denken. Im harten Winter 42/43 war die ganze Familie Goebels mit Eishacken beschäftigt, um das Schiff vor Schaden zu bewahren. Nach dieser Erfahrung wurde am Liegeplatz ein kleiner Slip angelegt.
Übrigens hatte Hein Ranz die ANNELIESE ex HUTSCHI III dann auch ans Meer verholt, dorthin, wo die Schiffe ja auch hingehörten. Mit einer Sondergenehmigung segelte er in die Schlei und kaufte sich bei "Asmus Petersen" ein, die Werft in Maasholm, die heute unter dem Namen Modersitzki bekannt ist.
Der Krieg nahm sein schreckliches Ende und gesegelt werden durfte natürlich immer noch nicht. Dieses Mal verboten die Sieger dererlei Vergnügen. Außerdem drohte die Requirierung nach 1945!
Dieses Schicksal ging auch an der WEGA ex HOG STEAN nicht vorüber, jedoch mit einer mächtigen Hintertür.
Herr Goebels unterließ nichts, um sein Schiff vor der Beschlagnahme zu schützen: die Masten wurden unter einer Hecke versteckt, das Schiff wurde an Land gezerrt und mit schmutzig grüner Farbe übergejaucht, die komplette üppige Mahagonieinrichtung wurde mit der Axt bearbeitet und entfernt. Das stolze Schiff war nicht wieder zu erkennen und dennoch, der Senior Navy Officer der Royal Navy erschien, begutachtete das Schiff und roch den Braten. Er beschlagnahmte das Schiff, das Schlimmste, was Goebels passieren konnte.
Doch der Brite zeigte sich von seiner fairsten Seite. Er spürte wohl, daß Goebels eher Haus und Hof mit Frau und Kind weggeben würde als seine WEGA, und so ordnete er an, das Schiff zu beschlagnahmen. Ein entsprechendes Papier wurde ausgestellt. Der noble Officer beließ das Schiff jedoch dort, wo es war. Goebels mußte allerdings zwei Auflagen erfüllen: "Don 't give the ship to the bloody Royal Airforce or bloody Royal Army. The paper proves, that we, the Royal Navy, have got her and nobody else!"
Er verabschiedete sich mit der eifersüchtigen Gewissheit, dass, wenn er das Schiff schon nicht bekäme, dann gefälligst auch nicht seine Kameraden von den anderen Waffengattungen. Und so ließ er den überglücklichen Goebels zurück.
Es dauerte noch bis 1949, bis das Schiff wieder aufgeriggt wurde. Der örtliche Tischler sorgte für einen neuen soliden Innenausbau, der jedoch nicht an den luxuriösen Mahagonisalon erinnert. Viel wichtiger war jedoch die Tatsache, dass wieder gesegelt werden konnte. Ein erstes Photo unter Segeln wurde auf der Schlei geschossen.
Dann kam die erste Auslandsreise 1951.
Einem Bekannten der Familie Goebels war eine kleine geklinkerte Jolle gestohlen worden. Der Küstenfunk, der durch den Krieg nur zeitweilig unterbrochen war, meldete, dass die dänische Polizei das Schiff in Fredrikshavn arrestiert hatte.
Der Plan war nun, mit der WEGA dort hinzusegeln, das Schiff wieder in Besitz zu nehmen und es zurückzusegeln.
So wurde es gemacht. Das "Kgl. Dansk Konsulat" in 'Flensborg' genehmigte die Reise und bestätigte die Crew-Liste.
Tatsächlich lag die kleine Jolle in Fredrikshavn auf der Pier. Als man sie zu Wasser ließ, soff sie erst einmal ab. Sägespäne, von außen eingeschwommen, halfen und dichteten den Rumpf soweit, dass gesegelt werden konnte.
Beide Schiffe erreichten wohlbehalten ihren Heimathafen.
1952 verkaufte Goebels das Schiff an den Hafen Kiel. Er selber war durch eine kriegsbedingte Verletzung so gehandicapped, dass er das Segeln aufgeben musste.
Unter dem Namen TOM KYLE begann für das Schiff jetzt das öffentliche Leben.
Die Stadt Kiel (Kieler Verkehrsbetriebe) hatte nun für die Kieler Woche auch die passende Visitenkarte.
Natürlich schipperte die TK nicht nur Zelebritäten zur Kieler Woche die Förde rauf und runter, sondern befuhr alle Küsten von Nord- und Ostsee. Bootsfuhrer war in der Regel Walter Schmidt.
1956 dann ging es um die halbe Welt - nicht auf eigenem Kiel, sondern als Decksladung auf der "YAPEYU", einem Passagierdampfer - nach Buenos Aires, um von dort die Regatta "Buenos Aires - Rio de Janeiro" mit zu segeln, die alle drei Jahre ausgetragen wird. Das deutsche Schiff belegte einen ehrenvollen Platz . Der Rückweg in die heimischen Gewässer erfolgte wieder auf der "YAPEYU".
Die TK tat in den folgenden Jahren zuverlässig ihren Dienst für die Kieler. Ein kleines Missgeschick in Cuxhaven hat keinem weh getan: "Wir lagen in einem Hafenbecken mit genügend Wasser. Der Hafenmeister wollte uns im Fischereihafen haben und hat uns diesen Platz zugewiesen - auf Schiet! und dann lief das Wasser ab! Nix passiert." So jedenfalls erinnert sich Walter Schmidt, der Skipper, heute 83 Jahre alt.
Im Juni 2000 verkaufte die "Seehafen Kiel GmbH & Co Kg" die TOM KYLE an das Ehepaar Sasse in Hamburg.
Die "AJOSA" ist im Hamburger Schiffsregister mit Heimathafen Hamburg eingetragen und wird mit Stolz und Sorgfalt gesegelt.
Reisen nach Norwegen bis zum Sognefjord und an die schwedische Ostküste bis in die Alands sind schon im Logbuch vermerkt.
Umbauten
Umbauten und Einbauten haben sowohl die Göbels (Innenausbau und Aufteilung) als auch die Kieler (Baumeinkürzung, Steuersäule, Rigg) vorgenommen.
Die jetzigen Eigner haben im Wesentlichen Erhaltungsarbeiten (Rüsteisen und -bleche, Verstärkungsblech für den Großmast) sowie einige Modernisierungen durchgeführt, die den Charakter des Schiffes jedoch nicht beeinträchtigen.