Motoryachten
Das DRP 39367 vom 9. 10. 1886 trägt die Überschrift „Einrichtung zum Betrieb der Schraubenwelle eines Schiffes mittels Gas- oder Petroleum-Kraftmaschine". Es wurde Gottlieb Daimler erteilt.
Die „Schwäbische Chronik" berichtet: „Baden-Baden, den 14. 10. 1886. - Gestern Nachmittag 3 Uhr hatte der Maschineningenieur Daimler aus Cannstadt eine kleine Gesellschaft eingeladen, das von ihm konstruirte, durch einen Petroleummotor angetriebene Schraubenboot in Thätigkeit zu besichtigen. ... Daimler hatte das Rems getaufte Boot selbst vorgeführt, bediente selber den Motor und leitete selbst das Steuer. Der erstere ist in der Mitte des Bootes angebracht und nimmt wenig Platz in Anspruch und setzte das Fahrzeug in rasche und sichere Bewegung. Der Motor arbeitet regelmäßig und ohne nennenswerthes Geräusch, wobei der Verbrauch an Petroleum ein minimaler ist. ... Trotzdem der Waldsee kaum eine Fläche von 3600 m2 besitzt, schoß das Boot pfeilschnell gewandt und schön durch den See. Herrn Daimler wurde für seine hübsche Erfindung die vollendete Anerkennung zu-theil." - Die hübsche Erfindung lief natürlich mit Benzin, aber das hatte der schlaue Daimler nach dem englischen Petrol benannt - Benzin galt damals als ungeheuer gefährlich.
Daimler war nicht zuletzt deshalb aufs Wasser gegangen, weil er bei der Erprobung seiner „Motorwagen" wegen des Gestanks und Geknatters und wegen der Gefährdung von Hühnern und anderen Tieren, Menschen und Kindern auf den Landstraßen größte Schwierigkeiten hatte. - Das in Neckarems gebaute Boot faßte 11 Personen, der Motor leistete bei 800 Umdr. 1,5 PS (1,1 kw), Hubraum 462 cm3, Gewicht 60 kg, Oberflächenvergaser und Glührohrzündung; das Boot lief damit 10 km/h.
1875 hatte Friedrich Lürssen in Aumund bei Vegesack eine kleine Bootswerft gegründet. Sein erster Bau war ein Dielenschiff, ein Arbeitsboot von 5 m Länge. Lürssen war einer der ersten, der es wagte, Motore in Boote einzubauen, und 1890 fuhr das erste wirklich betriebssichere Passagiermotorboot anläßlich einer Ausstellung auf dem Hollersee bei Bremen; Motorleistung 1,5 PS (1,1 kw). Die jahrzehntelange Zusammenarbeit Daimler-Lürssen hatte begonnen; der Bootsbauer von der Küste hatte die organische Verbindung von Antriebsmaschine und Bootskörper im Wesen erfasst. — 1893 werden Bereisungsboote für die Verwaltung des Kaiser-Wilhelm-Kanals bei Lürssen bestellt, er baut für Hafenbau-Verwaltungen, baut Passagier- und Vergnügungsboote. 1896 verläßt das 1000ste Fahrzeug die Werft, ein 12-m-Boot mit 10 PS-(7,4-kw)-Motor. „Absatzgebiete: Deutschland, Holland, Norwegen, Nord- und Südamerika", meldet die Werftchronik.
Nun geht es schnell weiter. 1892 läuft ein Daimler-Boot bei schwerem Wetter in 88 Stunden die rund 1000 km um Sizilien, 11,35 km/h. - 1899 steht ein „Petroleumdampfer (Sloop), 9,97 m lang und 2,30 m breit" in der Bootsliste des Vereins Seglerhaus am Wannsee - sicherlich hat es vorher kaum Segelyachten mit Hilfsmotor gegeben. Die gleiche Liste nennt auch „2 Benzin- oder Petroleumdampfer", der eine 7,9 mal 1,75 m, der andere 10,24 mal 1,57 m!
1902 findet in Berlin-Wannsee die erste internationale Motorboot-Ausstellung statt. Im 4. Jahrgang der Zeitschrift „Schiffbau", 1902, lesen wir darüber: „Die Technik wurde auf den Stand einer Industrie aufmerksam gemacht, welche sich in Deutschland noch in den Kinderschuhen befindet ... Solange das Motorboot als Nebenprodukt der Schiffswerften als gelegentliches Bauobjekt angesehen wird, und vor allen Dingen Bootsbauer und Motorfabrikanten ohne innige Fühlung miteinander arbeiten, ist kein bedeutender Fortschritt im Motorbootbau zu erwarten." Wir sehen: Lürssen hatte das erkannt und in Erfolg umgesetzt.
Man mag fragen, warum die Dampfmaschine, zumindest für kleine Yachten, recht wenig benutzt wurde. Dampfyachten hat es gegeben, doch waren es - von Ausnahmen abgesehen — immer größere Schiffe und Staatsyachten, die in den Begriff des Sportbootes nicht recht hineinpassen. Nun, wer noch die an sich unglaublich zuverlässigen und kräftigen Dampfbeiboote von ehedem kennt, weiß, warum. Kohlenbunker, Kessel und Speisewasser beanspruchen viel Gewicht und Platz, und man braucht einen Heizer; ein Amateur hätte im Sommer vor dem Kessel nicht viel von „Lustfahren" verspürt. Die aus dem Schornstein fliegenden „Heizerflöhe" runden das Bild ab, das auch durch die Olfeuerung nur bedingt freundlicher wurde. Herreshoff hat sich aber auch auf diesem Gebiet betätigt, und seine Dampfyacht Stiletto erreichte 1885 mit einer von ihm entworfenen und gebauten Dampfmaschine 26,5 kn.
1906 wurde der Deutsche Motor-Yacht-Club gegründet. Im gleichen Jahr beginnt das Rennboot Donnerwetter von Lürssen eine Erfolgsserie in europäischen Rennen. Es erreicht 65 km/h. Bald werden auch Seerennen gefahren; das Boot Verteidiger von Lürssen gewinnt 1909 endgültig den Ostseepreis, eine wunderschöne „Wikingerkogge" aus Silber, wie man sie sich damals vorstellen mochte, mit Seitenschwertern, Ruder im Spiegelheck mit einer Pinne für Recken, Schilde längs der Bordwand und einem bösen Drachenkopf am Vorsteven. - Diese Motorseekreuzer hatten noch, wie die frühen Dampfer, eine Hilfstakelage zum Segeln, man konnte nie wissen. ...
Bild Motoryacht 3
1908 bei den Olympischen Spielen in London und Cowes waren erstmals Motorrennboote dabei, 3 Klassen, die über 40 bzw. 60 sm liefen. In jeder Klasse beendete nur ein Fahrer das Rennen. Es sollte der einzige olympische Einsatz von Motorbooten bleiben.
1911 errang Otto Lürssen mit dem von ihm gebauten Rennboot Lürssen-Daimler gegen starke internationale Konkurrenz in Monaco die „Meisterschaft des Meeres" (Weltrekord), den „Prix de la Cöte d'Azur", den „Grand Prix des Nations" und den Preis des französischen Marineministers.
In jenen Jahren des Beginns war eine Erfindung aufgetaucht, deren Tragweite damals wohl noch kaum zu übersehen war: der Außenbordmotor. - 1906 hatte der Amerikaner Olin Evinrude mit der Entwicklung eines „abnehmbaren Ruderbootmotors" begonnen. Seine erste Maschine, ein Zweitakter von 1,5 PS (1,1 kw), wog 34 kg. Nach Werbeanzeigen in der Zeitschrift „Die Yacht" wurde der Evinrude-Motor bereits 1911 nach Deutschland importiert. Damals gab es auch die „Cudell-Schraube", einen Motor mit einer langen, schräg nach hinten ins Wasser tauchenden Propellerwelle, die auf dem Heck beliebiger Boote montiert werden konnte, ähnlich dem Antrieb der Sturmboote des zweiten Weltkriegs. Doch ist der Außenbordmotor keine ausschließlich amerikanische Erfindung. Wie oft in der Geschichte der Technik, wurde ein in der Luft liegender Gedanke unabhängig an ganz verschiedenen Stellen verwirklicht.
Um 1922 bringen die Pentawerke (Volvo) einen Zweitakter-Zweizylinder mit 275 cm3 heraus, 3—4 PS (2,2—2,9 kw), und vor 1914 gab es in Schweden Zweizylindermotoren mit gegenläufigen Kolben. 1926 brachte „Die Yacht" in Nr. 42 eine Anzeige für einen „Mercur-Zweizylinder-Außenbordmotor" von 3—5 PS (2,2-3,65 kw), ein wahrscheinlich von dem Deutschen E. Hasse entwickelter Außenborder. Heute ist der Außenbordmotor nicht nur unentbehrlicher Hilfsantrieb für kleinere Segelboote und Antrieb für viele kleine Boote bis hin zum Beiboot und Schlauchboot. In hohen Leistungsbereichen treibt er auch große Motoryachten und Rennboote an. Mit einem 4-Zylinder-Außenbord-Boxermotor gewann Dr. Richter, München, 1956 den Großen Preis von Deutschland. Der Motor leistete bei 6200 Umdr./min bis 120 PS (88 kw) und wog 90 kg. Das Boot: ein geklinkertes Stufenboot aus Sperrholz. Es kam auf 130 km/h.
70er Jahre: Die stärksten Außenbordmotoren werden in den USA gebaut: der Mercury „Black Max" mit 175 PS (129 kw) und der Johnson-Evinrude mit 200 PS (145 kw). Beide Motore sind Zweitakter, 6 Zylinder in V-Form, beide mit einer Nenndrehzahl von 5000 Umdr./min. Der Weltrekord eines Rennbootes der Klasse ON, 1500 bis 2000 cm3, wurde 1973 mit 219,44 km/h in den USA gefahren. Er hatte seit 1966 bei 210,9 km/h gestanden.
Zurück zu den Kreuzeryachten. Die Gründung des Deutschen Motoryacht-Clubs 1906 zeigt, daß der Motorbootsport angefangen hatte, den ersten Kinderschuhen zu entwachsen. Als Beispiel für den damaligen Motorseekreuzer steht die Aloha-Oe von Lürssen, die 1908 und in den darauf folgenden Jahren auf dem Bodensee, der Elbe und der Kieler Förde eine Reihe von ersten Preisen errang, zweite hinter Lürssens Donnerwetter beim Preis der Ostsee wurde und außerdem noch einen Schönheitspreis davontrug. Ein schlankes Schiff von 17 m Länge und 3,5 m Breite, 2 Motore mit zusammen 80 PS (58 kw), Geschwindigkeit knapp 20 km/h. Die Einrichtung umfaßt einen „Salon" mit großen Glasfenstern, Schlafraum und alles zum Leben an Bord Notwendige, wie Küche, Toilette, Unterkunft für den Bootsmann und mehrere Gästekojen, achtern eine geräumige Decksfläche, offener Steuerstand.
Verbreitet waren auch die „Wasserlimusinen", kleinere schnelle Boote mit Einrichtung nur für Tagesfahrten; das Beispiel (Länge 9,50 m, Breite 1,90 m, Tiefgang 0,65 m, wahlweise 30 oder 100 PS (22 bzw. 74 kw) mit 20 bzw. 40 km/h) zeigt die harte Kimm eines Bootes mit Gleiteigenschaften. Der Motor liegt weit vorn, im Bereich der größten Breite. Boote dieser Art waren nicht für die offene See geeignet; die großen Binnenseen und die Häfen waren ihr Revier, und natürlich wurden sie auch als schnelle und anspruchsvolle Verkehrsboote benutzt. Der Kajütkreuzer von 1952 hatte die mehr gedrungene Form der modernen Boote, die Abbildung zeigt die Gleitfähigkeit des Bootes, die beiden Diesel von je 120 PS (88 kw) stehen hinter der Mitte, wodurch die Schraubenwelle eine nicht unbeträchtliche Neigung erhielt. Das Boot hatte bei 11 m Länge und 3,14 m Breite ein L:B -- 3,5:1, die ältere Limusine von 5:1. Die Einrichtung dieses Bootes umfasst 2 Sofakojen, eine Anrichte und Toiletten; die Geschwindigkeit lag bei 45 km/h.
Erwähnung verdient die Oheka II von 1928 als gelungenes Beispiel für eine anspruchsvolle Motoryacht von einer fast zeitlosen Eleganz. Sie war für einen begüterten Amerikaner, Otto Hermann Kahn, daher der Name, gebaut worden, um ihn schnell und bequem von seinem Wohnsitz am Hudson nach New York zu befördern. Das Einrichtungsbild zeigt, dass auch für diesen kurzen Einsatz auf Komfort nicht verzichtet wurde. Die Aufnahme des Maschinenraums gibt einen Eindruck von der Antriebsanlage solcher Boote. Den gegenwärtigen Endpunkt in der Entwicklung großer und aufwendiger Motoryachten bildet wohl die Carinthia VI von Horten; „Motoryacht für besonders hohe Ansprüche", nennt die Werft dieses Boot; Länge 72 m, L:B 7,7:1 (sehr schlank), 3 mal 2900-PS-(2000-kW)-Diesel für eine Geschwindigkeit von gut 40 km/h. Selbstverständlich sind die Schiffsführungs- und Navigationsanlagen eines solchen Schiffes auf dem modernsten Stand, und die gesamte Einrichtung entspricht „besonders hohen Ansprüchen". Schiffe dieser Art sprengen schon den Begriff des Sportfahrzeugs, sie sind die echten Nachfolger in der langen Reihe von repräsentativen und großen Segel-, Dampf- und Motoryachten, wie sie von jeher gewissermaßen die Rangliste der „Navigation de Plaisance" angeführt haben.
70er Jahre:
Die Sport- und Rennmotorboote gliedern sich in die Serien der Innenborder und der Außenborder, innerhalb derer dann Klassen nach dem Hubvolumen, z. B. bis 1000 cm3, von 1000^ bis 1500 cm3 usw., bestehen, wobei die stärkste Klasse dei Innenborder 7000 cm3 und darüber umfasst, die der Außenborder 2000 cm3 und mehr. Die Klassen für Schlauchboote liegen zwischen weniger als 500 bis 850 cm3 bei Bootslängen zwischen 3,10 und 3,70 m und Mindestgewichten der Boote zwischen 45 und 60 kg.
Regelrechten Sport betreiben Boote wie die Miss WD 40 mit Mercruiser-Maschinen von 1200 PS (895 kw), die auf dem nebenstehenden Foto von dem Deutschen 0. Trost gefahren wird.
Von den regelmäßigen Veranstaltungen der 70er seien erwähnt die Sternfahrten auf der Mittelmosel, dem Mittellandkanal, zur Kieler Woche, dann eine Küsten-Nachtregatta in der Lübecker Bucht und das ADAC-Motorboot-Rennen Adria in Jugoslawien, außerdem der Langfahrten-Wettbewerb des Deutschen Motoryacht-Verbandes mit Distanzen von 3000 sm und mehr, eine Veranstaltung, die etwa dem Schlimbach-Wettbewerb der Segler entspricht. - Die wichtigsten Rennen der 70er Jahre sind die von Karlshafen/Weser im April, der Große Preis von Deutschland auf der Mosel vor Traben-Trarbach und auf dem Maschsee bei Hannover im Mai und im Herbst das Sechsstundenrennen von Berlin.
Weitere wichtige Infos:
Deutscher Motorjachtbau - von A. Tiller, 1936