1964: Die Lübecker Bucht
Die Lübecker Bucht ist eine der bekanntesten und größten deutschen Ostseebuchten. Sie dient mit ihren zahlreichen Seebädern nicht nur den Menschen als Erholungszentrum, sondern bietet auch für den Wassersport viele Möglichkeiten. Die nach Nordosten geöffnete etwa 10 sm breite und annähernd 20 sm tief in das Land vorstoßende Bucht ist, besonders bei westlichen Winden, geschützt und bietet wegen ihres tidefreien und nahezu strömungslosen Wassers ideale Voraussetzungen für Segelregatten und Wanderfahrten. Es ist schon viel über das Für und Wider von Jollen auf See geschrieben worden, und dieser Bericht soll nicht dazu beitragen, die Diskussion erneut auszulösen, aber es sei dem Unerfahrenen und dem an der See Urlaub machenden Binnensegler nachdrücklich ans Herz gelegt: Die Lübecker Bucht ist kein kleines Binnengewässer, sondern ein Stück offenen Meeres, das voller Tücken sein kann, und das fast Jahr für Jahr seine Opfer fordert. Überdies gehört die Mecklenburger Küste, unmittelbar in Travemündes Nachbarschaft beginnend, zur Sowjetzone. Man sollte auch dies bedenken und von Travemünde aus nicht ostwärts des Zwangsweges segeln.
Doch zunächst wollen wir einen Blick auf die hier ansässigen Vereine werfen und mit der Hansestadt an der Trave beginnen, wo sich eine ganze Reihe von Vereinen dem Seesegeln verschrieben hat. Die Mitglieder des Lübecker Yacht-Clubs (LYC) stationieren ihre Boote, soweit sie sie nicht an der Wakenitz haben, in Travemünde am Leuchtenfeld. Hier steht auch das zweite Clubhaus, über dessen Vergrößerung sich die Verantwortlichen des Vereins schon seit Jahren Gedanken machen. Auch reicht die Zahl der Liegeplätze seit geraumer Zeit bei weitem nicht mehr aus, um allen Anforderungen gerecht zu werden. So hat die Stadt Lübeck auf der gegenüberliegenden Seite der Trave, im alten U-Boothafen am Priwall, hinter der schützenden „Passat" einen Yachthafen gebaut, der nach seiner Fertigstellung etwa 400 bis 500 Boote aufnehmen soll. In unmittelbarer Nähe der „Passat" befindet sich auch die Zollabfertigung für Sportboote. Am Priwall war nach dem Krieg noch der Stettiner Yacht-Club (StYC) beheimatet, der schon 1877 gegründet wurde, und dessen in weiten Seglerkreisen bekannter Kommodore Walter Schell im Frühjahr 1963 seinen 90. Geburtstag feiern konnte. 155 Mitglieder sind unter dem Stander mit dem gekrönten Adlerkopf vereinigt. Die annähernd 40 Yachten und das schwimmende Clubhaus mußten neue Liegeplätze beziehen, weil der Uferstreifen im Rahmen der Trave-Verbreiterung später von der Berufsschiffahrt in Anspruch genommen werden soll. Übrigens lohnt es sich, ein wenig über die Berufsschiffahrt zu sprechen. Während auf dem lübischen Binnenrevier, der Wakenitz und dem Ratzeburger See, so gut wie kein Berufsverkehr anzutreffen ist, abgesehen von den wenigen Fischerbooten und zwei, drei Fahrgastschiffen, herrscht auf der Trave ein sehr lebhafter Großschiffsverkehr. Nicht nur zahlreiche Skandinavienfähren laufen regelmäßig ein und aus, sondern auch Frachter, Kümo und Fischereifahrzeuge benutzen diese wichtige Seeschiffahrtsstraße. Wir können und wollen uns an diese Stelle den immer wieder vorgetragenen Wünschen der Wasserschutzpolizei daher nicht verschließen, nachdrücklich auf das Vorrecht dieser Fahrzeuge hinzuweisen. Wenn auch den Kapitänen und Lotsen die Vielzahl der Yachten nicht unbekannt ist und sie mit ihnen rechnen, so ist es doch nicht zumutbar, daß die großen Ostseefähren im engen Fahrwasser plötzlich ,voll zurück' gehen müssen, nur weil ein unaufmerksamer Segler dort aufkreuzt. Immerhin wird Travemünde von sieben Linien mit acht Schiffen angelaufen, wovon alleine die Gedser-Fähre dreimal täglich festmacht.
Weiter traveaufwärts liegen hinter der Priwallfähre an Backbord die Schlichtingwerft und an Steuerbord der Fischereihafen, die Werften von Hagelstein und Bobs und schließlich der im Frühjahr 1962 eingeweihte Skandinavien-Kai. Leider werden auch die an der Stadtseite vorhandenen Brücken südlich der Priwallfähre dem Fährbetrieb weichen müssen, so daß die drangvolle Enge im Yachthafen vorerst noch größer wird. Alle beteiligten und interessierten Stellen sind jedoch ernsthaft mit der Lösung dieses Problems beschäftigt. Dem Segler-Verein Herrenwyk (SVH), der nach seiner Gründung im Jahre 1921 sein Domizil in der Nähe der Metallhüttenwerke hatte, mußte seine Liegeplätze vor einigen Jahren aufgeben. Es ist ihm aber gelungen, an der Siechenbucht neues Gelände zu erhalten und dort als einziger Verein in Travemünde eine eigene Bootslagerhalle von ganz beträchtlichen Ausmaßen zu erstellen. Nach mehrjährigen Verhandlungen haben die Herrenwyker nun auch das ehemalige Haus Uferterrassen ganz für ihre Zwecke zur Verfügung und mit ihm ein schönes Clubhaus geschaffen. Der Verein hat 270 Mitglieder mit 80 Yachten. Auf dem weitläufigen etwa 30 000 m2 großen Vorgelände, in dem sich schon die ersten Konturen eines neuen Hafenbeckens abzeichnen, sind in den letzten Jahren zahlreiche Wochenendhäuser entstanden. Zwischen dem Gelände des SVH und dem Skandinavien-Kai hat das Wasser- und Schiffahrtsamt Lübeck versuchsweise ein Stück der Trave seitlich des Fahrwassers für Wasserski freigegeben. Dort dürfen sich die ganz Schnellen tummeln, die sonst weder im Hafen noch vor dem Kurstrand geduldet werden, es sei denn, sie ziehen die Weite der See oder die Schleppanlage vor Niendorf vor. Die Polizeiverordnung über den Verkehr von Motorsportfahrzeugen an den schleswig-holsteinischen Küsten schreibt vor, daß Motorboote vom Mai bis September vor Badeplätzen und betonnten Strandstrecken in einem Abstand von 400 m nur bis zu höchstens 8 km/h fahren dürfen. Praktisch bedeutet das eine gesperrte Strecke von Travemünde bis Haffkrug. Es ist geplant, die zur Kennzeichnung benutzten Richtbaken durch gelbe Faßtonnen zu ersetzen.
Von Travemünde bis Lübeck sind es rund 10 sm, und das Segeln erfordert wegen des Seeschiffsverkehrs große Aufmerksamkeit. Deswegen darf auch nicht gekreuzt und ab Schlutup nur mit achterlichem Wind gesegelt werden. Vom Priwall an der Pötenitzer Wyk bis Schlutup verläuft am Ostufer die Zonengrenze, während Steuerbord die Hochöfen der Metallhüttenwerke, die Bootswerft Staak und schließlich die Lübecker Flender-Werke liegen. Vor der Herrenbrücke finden wir an Backbord im sogenannten Breitling den Hafen des Segler-Vereins Trave (SVT) mit seinem Boots- und Clubhaus. Dieser Verein, der 75 Yachten und etwa 240 Mitglieder zählt, die vorwiegend Fahrtensegelei betreiben, hat innerhalb weniger Jahre zwei schwere Schläge hinnehmen müssen. Mit Schrecken denken seine Mitglieder noch an den Großbrand des Bootshauses im Jahre 1950 zurück. Und nur wenige Jahre besitzen sie an der Seeseite der Herrenbrücke die neue Bootshalle und ein Clubhaus, da zwingt der Brückenbau zum Abbruch des Vereinshauses. Im letzten Sommer wurde nun das vierte Seglerheim in der 60jährigen Geschichte des SVT seiner Bestimmung übergeben. Daß die Trave-Segler es aber auch verstehen, Regatten zu segeln, beweist die Initiative, mit der sie 1926 zusammen mit ihren damals noch benachbarten Kameraden vom SVH die große Ostseewettfahrt ins Leben gerufen haben. Nach dem Passieren der Herrenbrücke, deren Durchfahrtshöhe bis zur Fertigstellung der neuen Brücke nur etwa 7 m beträgt und die für kleine Fahrzeuge, also auch Segelyachten, nicht geöffnet wird, wird das Fahrwasser schmal. Hinter der Teerhofinsel am toten Arm der Trave steht das Clubhaus des am weitesten landeinwärts gelegenen Vereins. Der Schwartauer Segler-Verein (SSV) ist der jüngste im lübischen Revier. Er wurde 1931 als Schwartauer Wassersportverein gegründet und hat erst vor wenigen Jahren seinen jetzigen Namen gewählt. Im ruhigen Wasser liegen an Brücken und Bojen die fast 40 Yachten seiner rund 100 Mitglieder, deren geselliger Mittelpunkt ein schönes Boots- und Clubhaus bildet. Jetzt ist man damit beschäftigt, eine über das gesamte Vereinsgelände laufende Uferbrücke zu schlagen. Hier machen auch gerne Yachten auf der Reise über den von Lübeck nach Lauenburg führenden etwa 70 km langen und mit sieben Schleusen bestückten Elbe-Lübeck-Kanal Station, weil in den Lübecker Stadthäfen selbst nur wenige Liegemöglichkeiten für Yachten geboten werden.
Im Klughafen unterhalb des Falkendamms besteht eine Anlage zum Aufholen leichter Jollen, die hier in die Wakenitz übersetzen können. Auch größere Boote bis zu 5 t Gewicht werden mit Hilfe eines Autokranes übergesetzt und haben so die Möglichkeit, den Ratzeburger See zu erreichen. Nur sollten Fahrzeuge mit mehr als 1,2 m Tiefgang lieber auf der Trave bleiben, weil die Wakenitz kaum mehr Wassertiefe aufweist.
Doch kehren wir zurück zum Ausgangspunkt unserer Betrachtung, der Lübecker Bucht. Wir setzen nach dem Auslaufen aus Travemünde Kurs ab auf Niendorf, um dem dort beheimateten Niendorfer Yacht-Club (NYC) einen Besuch abzustatten. Wie jeder erfahrene Segler halten auch wir uns in respektablem Abstand vom Brodtner Ufer und dem mit Steinen übersäten vorgelagerten Grund und manöverieren sehr vorsichtig in den durch eine lange Mole geschützten Hafen.
Die Wiege des Niendorfer Yacht-Clubs hat im Jahre 1913 keineswegs an der Ostsee geschaukelt. Er stammt vielmehr von der Elbe, wo er, zunächst als Altonaer Yacht-Club gegründet, schon bald sein Hauptaugenmerk auf Niendorf richtete und hier in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen seinen Yachthafen baute. In dem inzwischen vergrößerten, aber immer noch viel zu kleinen Hafenbecken haben kaum die gut 50 Segel- und Motoryachten seiner 100 Mitglieder Platz. Gäste werden daher in den allermeisten Fällen mit einem Platz im Fischereihafen vorlieb nehmen müssen. Dort befindet sich auch eine Werft. Auf einer Landzunge, zwischen Strand und Hafen, steht das gemütliche Seglerheim des Clubs, von dem man eine weite Aussicht über See bis Neustadt und Pelzerhaken hat.
Von Niendorf laufen wir in fast genau nördlicher Richtung auf Neustadt und Pelzerhaken zu. Schon von weitem weist uns der hohe Turm vor Pelzerhaken den Weg. Man kann heute diesen Kurs abstecken, ohne auf das in den Karten verzeichnete Munitionsversenkungsgebiet achten zu müssen. Sowohl die in der Neustädter Bucht als auch die nordost-wärts von Pelzerhaken ausgelegten Tonnen sind im vorletzten Jahr eingezogen worden. Dafür befindet sich in der Lübecker Bucht zur Zeit eine Baggerschüttstelle, an der das Baggergut aus der Travevertiefung verklappt wird. Dieses Gebiet ist durch Tonnen gekennzeichnet. Von der Anlegebrücke Pelzerhaken haben wir noch etwa zweieinhalb Seemeilen westwärts zu segeln und können dann dem letzten Verein an der Lübecker Bucht, dem Neustädter Segler-Verein (NSV), unseren Besuch machen. Ein ringsum geschlossener schöner Hafen mit einer schmalen Einfahrt von Nordwest ist Heimat für die 55 Boote und Mittelpunkt des Vereinslebens seiner 150 Mitglieder, die sich überwiegend dem Fahrtensegeln verschrieben haben. Es stört keinen der vielen Gäste, daß Neustadt nur über ein winziges Seglerheim verfügt, in dem kaum eine Crew Platz findet. Pläne, ein großes Haus zu bauen, mußten wegen der hohen Kosten vorläufig aufgegeben werden. Dafür liegen aber an den Wochenenden die Boote dicht bei dicht an der im weiten Rund geschwungenen Brücke und beweisen damit, welcher Beliebtheit sich dieser zentrale Punkt an der Lübecker Bucht erfreut.
Es ist nicht verwunderlich, daß das herrliche Revier vor der Haustür Lübecks nicht nur den heimischen Seglern ans Herz gewachsen ist, sondern daß auch Jahr für Jahr Segler aus aller Welt den Weg hierher finden. Das größte seglerische Ereignis in der Lübecker Bucht ist alljährlich die Travemünder Woche, die Segler aus nah und fern vereint.
Heino Weiss
Der Hafen des Neustädter Segler-Vereins ist als zentraler Punkt an der Lübecker Bucht ein beliebtes Wochenendziel für zahlreiche Fahrtensegler.
Travemünde ist der Heimathafen für die Kielboote des Lübecker Yacht-Clubs. Auf dem Leuchtenfeld steht das zweite Clubhaus des LYC, das schon längst uiel zu Wein geroorden ist. Ebenfalls reicht die Zahl der Liegeplätze nicht mehr aus. Auf der anderen Seite der Traue hat die Stadt Lübeck
deshalb im alten U-Boothafen am Prirpall, hinter der „Passat", einen Yachthafen gebaut, der nach seiner Fertigstellung etrua 400 bis 500 Boote aufnehmen soll. Ein buntes Bild bietet das Leuchtenfeld mährend der Trauemünder Woche, roenn dort die Jollen ihre „Liegeplätze" haben.
Boote des Lübecker Yacht-Clubs. Noch liegen sie dichtgedrängt an mehreren Brücken neben dem Trauefahrroasser. Ein neues Hafenbecken soll ihnen mehr Schutz bieten.