1956: Die Rheinischen Segelreviere
Rennen der 45er auf dem Rhein bei Niederwalluf. Die nationalen Kreuzer haben weit weggedreht. Auch auf dem in vielen romantischen Liedern besungenen Rhein kann eine steife Brise wehen.
Die Rheinischen Segelreviere
Zum erstenmal tritt der Deutsche Seglertag im rheinischen Segelrevier zusammen, und zwar in Düsseldorf. Ausrichter des Seglertages 1956 ist der Düsseldorfer Yachtclub e. V. von 1908, der sich bemühen wird, den deutschen Seglern in den Tagen vom 15. bis 17. November einige angenehme Stunden neben den Tagungen und Besprechungen zu bieten.
Als Rhein-Segler hört man immer wieder, wenn man in andere Reviere kommt, die Frage, ob am Rhein gesegelt wird. Man sieht den Rhein vielfach als ein Revier der Kanuten, allenfalls der Ruderer, an, ohne darüber nachzudenken, daß dieses Wasser auch für die Segelei ein schönes, mitunter aber auch ein sehr schwieriges Revier darstellt. Man darf nicht vergessen, daß der Rhein als Strom den stärksten Schiffsverkehr aller Flüsse der Welt aufzuweisen hat. Kein Fluß — weder in Nord- oder Südamerika, in Asien oder im übrigen Europa — kann einen solchen Frachtverkehr aufweisen wie der Rhein.
Dazu einige Zahlen: Der gesamte Rheinverkehr betrug im Jahre 1954 87,2 Millionen t, im Jahre 1955 steigerte er sich auf 99,2 Millionen t, das sind also fast 14 % mehr, und er dürfte im Jahre 1956 die Hundert-Mülionen-Ton-nengrenze überschreiten. 1955 haben 11 370 Frachtschiffe allein den Düsseldorfer Hafen angelaufen. Das Ausland ist an dem Verkehr mit 22 % beteiligt. Zu den Anlieger-Staaten zählen neben der Bundesrepublik Holland, Frankreich und die Schweiz. Wenn in den früheren Jahrzehnten der Schleppverkehr mit teilweise 4 bis 10 Lastkähnen im Schlepp den Hauptteil der Flotte des Rheins ausmachte, hat sich in den letzten zwanzig Jahren in dieser Transportart eine gründliche Wandlung vollzogen. Die Schweiz ist vorangegangen, denn für die Schweiz bedeutet jeder Tag verlängerten Transportes erhebliche Unkosten. Bereits in den 30er Jahren ging die Schweiz dazu über, schnellfahrende Frachtschiffe zwischen 1000 und 1500 t zu bauen, um den Weg von Holland nach Basel möglichst abzukürzen. Diese Schnellfahrer brachten trotz der verteuerten Baukosten eine erhebliche Verbilligung der Frachten mit sich, und so hat sich auch die deutsche Selbstfahrer-Flotte auf dem Rhein immer mehr vergrößert. Allein im Jahre 1955 ist die deutsche Selbstfahrer-Flotte um über 110 000 t gewachsen; wenn man bedenkt, daß ein normales Frachtschiff im Durchschnitt etwa 2000 t Tragkraft hat, dann kann man sich vorstellen, wieviele Schiffe im Schnellfrachtverkehr im Jahre 1955 neu eingesetzt wurden.
Neben dem Schiffsverkehr kommen dann noch die Schwierigkeiten der Strömung hinzu, die durch die Kriegsereignisse, die vielen zerstörten Rheinbrücken und durch Bombenabwürfe eine für den Segler unangenehme Veränderung erfahren hat. Der zünftige Segler legt Wert darauf, mit seinem Boot ohne Motor auf den Rhein zu gehen. Die Strömung und die Engpässe, die durch das rheinische Schiefergebirge, das bis an den Rhein selbst herantritt, hervorgerufen werden, und dazu der starke Schiffsverkehr erschweren die sportliche Segelei auf dem Rhein sehr. Vor Jahrzehnten konnte man getrost mit einem Segelboot ohne Motor auf den Strom gehen und dem Segelsport huldigen. Die Schleppzüge fuhren normalerweise zu Berg zwischen 6 und 8 km, zu Tal hatten sie eine Geschwindigkeit von etwa 8 bis 10 km; die Dampfer der Köln-Düsseldorfer-Rheindampf-schiffahrts-Gesellschaft (die bekannten schwarz-weißen Dampfer) hatten eine größere Geschwindigkeit, dementsprechend einen Wellengang, der besonders die kleinen Segelboote beeinträchtigen konnte.
Das Verhältnis hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegend verändert, und zwar durch die schon erwähnte Vermehrung der Selbstfahrer. Holländer, Belgier, Franzosen, Schweizer und die deutschen Schiffe überwiegen als Selbstfahrer mit zum Teil 10 bis 20 km Geschwindigkeit auf dem Strom, und sie treten oft so massiert auf, daß dem Segler kaum noch genügend Raum bleibt, um einen Schlag zu machen. Unter diesen Verhältnissen ist es sicher nicht zuviel gesagt, wenn man die Sportfreudigkeit der rheinischen Segler unter anderen Gesichtspunkten ansehen muß wie z. B. die der Segler auf den Binnenseen. Dennoch verbindet ein enges Band das Seglervölkchen am Rhein, das mit seinen Segelrevieren im Räume Mainz, Niederwalluf, Bingen, Köln, Hitdorf, Düsseldorf und schließlich am Niederrhein in Emmerich seine besonderen Stützpunkte hat. Vereine wie der Kölner Segler-Club, Segel-Club Rheingau, Düsseldorfer Segler-Verein, Emmericher Yacht-Club, Bonner Yacht-Club und der diesmalige Gastgeber — der Düsseldorfer Yachtclub — zeigen mit vielen anderen rheinischen Segler-Vereinen ihre Stander auf dem Rhein.
Zu den rheinischen Segelrevieren gehören noch der Baldeney-See in Essen und der Wedau-See bei Duisburg, die hauptsächlich von kleineren - Olympia-, Piraten- und anderen Jollen — beansprucht werden. Das nächstliegende Segelrevier für große Fahrten sind für die niederrheinischen Segler natürlich die Gewässer in und um Holland, die Nordsee vor der deutschen, holländischen und belgischen Küste und im weiteren Sinne auch Helgoland und England. Es bestehen starke internationale Bindungen mit holländischen, englischen, belgischen und nordischen Seglern, die alljährlich bei ihren Segelreisen auch den Rhein befahren und bei den rheinischen Segelklubs gern gesehene Gäste sind.
Infolge der vorgeschrittenen Jahreszeit wird den Besuchern des Seglertages der schön gelegene Jachthafen des Düsseldorfer Yachtclubs leider nicht das Leben und Treiben zeigen können, wie es sich im Sommer abspielt. Die hier wiedergegebenen Bilder aber mögen einen kleinen Einblick in das rheinische Segelrevier geben, und wir alle hoffen, daß unsere Segelfreunde aus der ganzen Bundesrepublik sich in Düsseldorf wohlfühlen werden.
Segeln auf dem Rhein
Etwa auf der Mitte der Strecke des Rheines, die den Segler besonders interessiert, liegt Bonn, die Bundeshauptstadt. Und gerade in dieser Stadt sind viele Menschen durch Politik, Regierungsgeschäfte und auch andere Geschäfte zusammengekommen. Darunter eine ganze Anzahl Segler, die früher auf den Berliner und ostdeutschen Seen, auf der Nord- und Ostsee und auf den süddeutschen Seen segelten. Da könnte man nun leicht annehmen, Bonn sei heute für die Segler ein gewisser Mittelpunkt geworden. Aber weit gefehlt. Alle diese zugezogenen Neu-Bonner oder Neu-Rheinländer behaupten grundsätzlich: „Auf dem Rhein kann man doch nicht segeln." Manche fragen erstaunt: „Gibt es hier überhaupt Segelboote?" Und so segeln da unmittelbar vor den Toren und Fenstern der Regierungsbauten nur einige unentwegte Bonner Segler auf einer Strecke, die zu den schönsten und romantischsten des ganzen Rheines gehört. Doch die Zentren des Rheinsegelsports liegen weiter südlich im Rheingau und nördlich in Düsseldorf.
Ungefähr in NNW-Richtung verläuft die große Linie des Rheines, der vom Bodensee im Süden bis nach Emmerich an der holländischen Grenze den westlichen Teil des deutschen Landes durchfließt. Seine teils engen und teils weiten Krümmungen geben dem Lauf des Stromes an den verschiedenen Stellen die verschiedensten Richtungen. So z. B. in der unmittelbaren Nähe Düsseldorfs, wo wir den Stromlauf aus nordöstlicher in südwestlicher, dann weiter in westlicher, nördlicher bis zur südöstlichen Richtung hin feststellen können. Diese Stromrichtungen im Verhältnis zur jeweiligen Windrichtung sind für den Rheinsegler wesentlich, da die Möglichkeit des Segeins gegen den Strom hiervon abhängig ist.
Das Segeln auf dem Rhein verlangt außer den normalen Segelkenntnissen eine Menge besonderer Erfahrungen. Der Rhein, der auf der Strecke von Bingen bis zum Industriegebiet um Duisburg mit einer mittleren Geschwindigkeit von etwa 7 km und an einigen Stellen bis zu 11 km zu Tal strömt, dessen Breite von 200 bis zu 1000 Metern wechselt, ist durch die Berufsschiffahrt zu der belebtesten Wasserstraße Europas geworden. Schleppzüge von 1000 m Länge und mehr und mit 6, 7 und 8 Schleppkähnen aneinander, Motor- und Dampfschiffe, Tanker und Expreßschiffe, die schönen weißen Schiffe der Köln-Düsseldorfer Dampf schiff reederei und unzählige kleinere Vergnügungsschiffe fahren in ununterbrochener Folge stromauf und stromab. Dazwischen an den Sonntagen Hunderte von Paddel- und Ruderbooten, so daß man sich schon fragen muß, wo da noch ein Platz für ein Segelboot bleibt. Kommt dazu noch ein zu Tal fahrendes Floß mit einer Breite von etwa 25 m und einer Länge von 150 bis zu 200 m, ja, dann bleibt kaum mehr ein Raum zum Segeln.
Doch auch hier gilt der Satz von Hölderlin: „Raum genug ist für alle." Denn diese Brennpunkte oder auch Treffpunkte konzentrieren sich meist auf bestimmte Stellen, teils bedingt durch Häfen, Industrie- und Ankerplätze, teils durch Stromengen. Solche Punkte sind besonders Emmerich (Zollstation), Duisburg-Ruhrort (der größte Binnenhafen Europas), die Brückendurchfahrten in Köln, Wesseling (Reederei der Rhein. Braunkohle und großer Verladehafen), die Durchfahrt zwischen den Inseln Grafenwerth und Nonnenwerth oberhalb des Siebengebirges, Neuwied, Andernach, Koblenz, Salzig (hier werden die langen Schleppzüge von 4 bis 8 Kähnen aufgeteilt in Züge mit 2 Kähnen, um die engen Krümmungen und die sehr starke Strömung zu überwinden), Bingen mit dem bekannten Mäuseturm im Binger Loch, und Mainz mit der Mündung des Main. Das Aufeinandertreffen so vieler Schiffe ist aber auch zeitlich bedingt. An den vorgesehenen Ankerplätzen der Berufsschiffahrt gehen frühmorgens bei Sonnenaufgang oder nach Auflösung der Nebel, die besonders im Frühjahr und Herbst sehr dicht über dem Rheintal liegen, ganze Flotten gleichzeitig los, die sich aber sehr schnell auseinanderlösen. Es gibt dann auch Stunden, wo man kilometerweit kein Schiff sieht und der Segler den Strom von einem Ufer zum anderen aussegeln kann. Diese Möglichkeit ist meistens dann gegeben, wenn der Segler von seinem Liegeplatz aus gern stromauf schleppen möchte. Dann schaut er erwartungsvoll zu Tal, ob nicht irgendein Schiff in der nächsten Krümmung auftaucht, um seine Jacht in Schlepp zu nehmen.
Die hier aufgezählten Schwierigkeiten können dem Segler das Segeln auf dem Rhein nicht verleiden. Vielfach belohnt wird er durch eine herrliche Schleppfahrt zu Berg oder durch eine Talfahrt unter Segel auf den Am-Wind- oder Vor-dem - Wind - Strecken, bei denen dann, gesteigert durch die Geschwindigkeit der Strömung, sehr gute Zeiten gesegelt werden. Es lohnt sich schon, vom unteren Niederrhein oder von Düsseldorf ausgehend, eine Schleppfahrt in den Rheingau zu unternehmen. Hat man viel Zeit, so hängt man hinter einen Schleppzug mit 3 bis 8 Kähnen. Diese Schleppzüge fahren mit etwa 4 bis 6 km Geschwindigkeit zu Berg und am letzten Schleppkahn hängend wird man gemächlich stromauf gezogen, in vollkommener Ruhe und Stille und ohne Wellengang, ungestört durch den Maschinen- oder Motorenlärm des Schleppschiffes oder dessen Auspuffgase.
Hier beginnt dann die Schönheit des Segelsports auf dem Rhein und die Erholung für den Segler. Ist die Jacht am Achterpoller des Schleppkahns gut vertäut, sicherer noch mit 2 Trossen an je einem Poller back- und steuerbords, dann kann man gar die Pinne festlegen und der Rudergänger hat auch Zeit und Muße, in die Gegend zu schauen oder sich sonstwie die Zeit zu vertreiben. Jollenkreuzer und größere Jachten können auch die schnellfahrenden Expreßschiffe zum Schleppen benutzen. Diese fahren mit 12 bis 16 km Geschwindigkeit zu Berg. Hier muß der Rudergänger aber stets auf Posten sein. Von Düsseldorf bis zum Rheingau dauert eine Schleppfahrt hinter einem Schleppzug etwa 4 bis 5 Tage, hinter einem Expreßschiff etwa 2 bis 3 Tage.
Zu Berg geht es dann durch die schöne niederrheinische Landschaft. Weite Wiesen, bis ans Wasser hin, wechseln ab mit kleinen und großen Baumgruppen, meist Pappeln und Birken, die wie zufällig in die Landschaft gesetzt sind. Alte Dörfer und Orte, deren Häuser in schwarz-weißem Fachwerk weithin leuchten, sind teils noch von alten Festungsmauern und Türmen umgeben, die oft bis zum Wasser reichen. Einige große Industriewerke bieten dem Auge eine etwas krasse Abwechslung. Auf der rechtsrheinischen Seite liegen in Leverkusen die Bayer-Werke mit ihren langen Verladekais, davor zahlreiche Schiffe neben- und hintereinander. Zur Rechten, also linksrheinisch, kurz vor Köln, kommen wir dann an die Ford-Werke, weithin sichtbar durch ihren hohen Turm. Doch darüber sieht man südlich in der Ferne schon die Türme des Kölner Domes hoch in den Himmel ragen. Langsam nähern wir uns Köln, und das Auge verliert den Blick zum Dom nicht mehr, bis uns der Schlepper durch die 5 Brücken Kölns geschleppt hat. Die nördlichste und die südlichste sind neue Hängebrücken, in ihrer Form und Eleganz über die restlichen Ruinen tröstend, Wunderwerke des modernen Brückenbaues.
Einige Kilometer südlicher erkennt man schon die Umrisse des Siebengebirges. Doch vorerst passieren wir noch die Bundeshauptstadt. Am ganzen Ufer entlang liegen herrliche Vorgärten und Parks mit uraltem Baumbestand. Dazwischen die modernen Hochbauten der verschiedenen Ministerien, die Häuser des Bundespräsidenten und des Kanzlers und als letztes das Bundeshaus. War der Charakter der Landschaft bis Bonn typisch niederrheinisch, so wechselt er hier jäh. Die Berge bestimmen von nun ab die Landschaft, das Rheintal wird enger, das Siebengebirge liegt als erstes schon nahe am Strom, und am Drachenfels liegen die ersten Felsen im Strom. Zwischen den Inseln Grafen-werth und Nonnenwerth geht es sehr langsam voraus, denn unser Schlepper hat hier rund 11 Kilometer Strom-geschwindigkeit zu überwinden. Dann geht es in stetiger Fahrt weiter an Andernach und Neuwied vorbei bis Koblenz mit dem mächtigen Ehrenbreit-stein. Hier beginnt die romantischste Strecke des ganzen Rheins. Der Strom windet sich durch die engsten Krümmungen. Wir schleppen vorbei an den sagenumwobenen Burgen und Ruinen, an steil bis ins Wasser fallenden Bergen und Felsen. Ab und zu eine kleine unbewohnte Insel. Zahlreiche Bojen, auf der linken Seite des Stromes schwarz und auf der rechten rot gekennzeichnet, zeigen der Schiffahrt den Weg. In Salzig oder Boppard kommen die Lotsen an Bord der Schleppschiffe und Kähne und übernehmen die Schiffsführung bis Bingen. Die Marksburg, Burg Rheinstein, Stolzenfels, die Burgen der feindlichen Brüder, die Loreley, die Pfalz bei Kaub, mitten im Strom liegend, und als letztes der Mäuseturm kurz vor Bingen und dazwischen jeweils auf den Sonnenseiten die unzähligen Weinberge lassen uns nicht müde werden, immer und immer wieder zu schauen. In der letzten Stromenge, im Bingerloch, ist die größte Strömung zu überwinden. Hier hat man das Gefühl, auf der Stelle zu treten oder zu schwimmen, dabei stampft unser Schlepper mit äußerster Kraft voraus, und nicht selten wird noch ein kleiner, starker Schlepper als Vorspann benutzt. Ganz langsam kommt man dann aus diesem Binger „Loch" heraus, und ganz plötzlich entsteht dann eine Fahrt, so schnell, als ob man gerade noch eine Anhöhe hinaufgekrabbelt sei, die Höhe überwunden hätte und dann sehr schnell abwärts glitte. Das Rheintal wird hier wieder weit, das Niederwalddenkmal entschwindet bald dem Auge, und schon ist man mitten im Rheingau. Der Strom ist nun ganz breit und fließt mit nur 2 bis 3 km träge zu Tal. Herrlich einsame und große Inseln, auch zwei nebeneinander, bieten dem Segler schöne und ruhige Ankerplätze. Hier ist ein paradiesisches Segelrevier. Doch unser Schlepper geht schnell voraus und es wird für uns Zeit, alles klar zu machen für das Abhängen, denn kurz vor Mainz liegt rechtsrheinisch der Naturhafen von Niederwalluf, Heimathafen des Segelclubs Rheingau. Ein kurzer Abschied vom Schiffer und der Besatzung des Schleppers, ein Dank und eine Aufmerksamkeit in Form guter Zigarren oder einiger Flaschen, evtl. auch ein Schleppgeld, dann wirft der Schiffer die Trossen los und wir fahren nun auf eigenem Kurs unter Segel mit Motor oder durch Pullen in den Jachthafen von Niederwalluf. Viele Boote, vom Piraten bis zum seegehenden Kreuzer liegen an den Bojen. Hier sind auch noch eine Anzahl Nationaler 45er beheimatet, sehr schöne und schnelle Boote. Hier trifft man alte Freunde und Bekannte, und das Wiedersehen wird mit einer guten Flasche Rheingauer gefeiert.
Bevor nun die Heimreise unter Segel und talwärts angetreten wird, ist noch einiges zu sagen über das Verhältnis der Rheinsegler zur Berufsschiffahrt. Über das Mitnehmen und Schleppen von Segelbooten gibt es keine Norm, keine Vorschriften und kein Gesetz. Das Schleppen ist eine freie Vereinbarung zwischen dem Schiffer und dem Segler. Es gibt Kapitäne, die ihr Schiff stoppen und bereitwilligst die Trossen übernehmen und festmachen, es gibt andere, die das nicht tun, aber stillschweigend das „An-Bord-Springen" dulden (dazu gehört Geschick, sehr schnelles Erfassen der Situation und viel Fixigkeit, um von der Jacht aus auf das schmale Gangbord eines mit etwa 10 Kilometer Geschwindigkeit an uns vorbeirauschenden Schleppers zu springen mit einer schweren Trosse im Arm, dann achteraus zu laufen, die Trosse um den Poller zu legen, aber so, daß man sie noch fieren kann und die Trosse nicht zu plötzlich steif kommt, denn dann könnte sie auch reißen, dann noch das endgültige Belegen, alles das dauert ja nur Sekunden). Es gibt auch Schiffer, die abwinken und nicht mitnehmen. Über die Höhe des Schleppgeldes gibt es auch keine Vorschriften. 50 und mehr D-Mark sind schon verlangt worden, gegebenenfalls läßt sich da aber auch handeln. Es gibt auch Schiffer, die nehmen gar nichts an. Mit manchen Schiffern und deren Familie sitzt man abends an Bord ihrer Schiffe zusammen und dann wird erzählt von Reisen und Schiffen und vielem anderen, und eine oder mehrere Flaschen werden von den Seglern selbstverständlich mit an Bord genommen. Oder der Schiffer besucht die Segler an Bord der Jacht, denn ihn interessiert ja auch, wie eine Jacht von innen aussieht. Dabei lernt man sich kennen, und wenn man nach Wochen sich irgendwo auf dem Rhein begegnet, gibt es ein freudiges Winken und Grüßen. Das Grüßen zwischen dem Segler und dem Schiffer ist auf dem Rhein zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Ein lässiges Erheben der Hand zum Gruß wird immer erwidert, ganz gleich, ob ein Deutscher, Franzose, Belgier, Holländer oder Schweizer uns begegnet. Der Segler will und muß ja mit allen gut Freund bleiben. Die Schiffer nehmen denn auch nach Möglichkeit größte Rücksicht auf die Segler. Im letzten Jahr wollten wir unterhalb Düsseldorfs an einen schnellen Schlepper und gaben Zeichen durch Hochheben unserer Trosse. Da richtet sich der elektrische Lautsprecher zu uns und der Kapitän gibt durch: „Wir können Sie leider nicht schleppen, wir legen in Düsseldorf an. Eine Viertelstunde nach uns kommt Expreß 41, der wird Sie sicher mitnehmen." Wir danken und warten auf Expreß 41, und der nimmt uns mit. Das Verhältnis ist also im allgemeinen recht gut, unfreundliche Brummbären gibt es an Land weit mehr.
Im Hafen von Niederwalluf machen wir segelklar und wollen nun einige Tage im Rheingau segeln. Eine Erholung, wie man sie besser und schöner wohl kaum haben kann. Zwischen den Inseln gibt es Wasserstraßen, die von der Schiffahrt nicht befahren werden. Hier kann man ungestört und bei jeder Windrichtung stromauf und stromab segeln. Lautlos gleitet die Jacht hier durch das spiegelglatte Wasser, dicht vorbei an hohen Schilfufern, aus denen hin und wieder vorwitzig ein Fischreiher seinen langen Hals reckt. Auch viel anderes großes und kleines Gefieder ist hier reichlich zu finden. Leise im Winde rauschende Pappeln und Weiden umgeben die Buchten, in denen man einen idealen Liegeplatz hat. Schwer fällt einem der Abschied von diesem Paradies, wenn man oberhalb Bingens wieder in die verkehrsreiche Wasserstraße des Rheines muß. Bis Bingen kann man noch recht gut segeln, dort soll man aber an einen der vielen vor Anker liegenden Schleppkähne anhängen. Es ist keinem Segler zu raten, durch das Gebirge zu segeln. Die Schwierigkeiten sind zu groß. Gegenwinde, seitliche und achterliche Winde wechseln zu plötzlich, hervorgerufen durch das enge Tal, die hohen und steil bis ins Wasser abfallenden Berge und Felsen und die engen Krümmungen, durch die sich der Rhein in fast allen Himmelsrichtungen schlängeln muß. Da ist es schon ungefährlicher und weit erholsamer, bis Braubach oder Koblenz zu schleppen. Noch einmal kann man in rascher Folge die Schönheit des Rheintales mit seinen Burgen, Schlössern und Ruinen, mit seinen idyllischen Dörfern und Städten genießen. In Koblenz kann man durch die Moselmündung und die Schleuse in den Moselstausee. Hier ist der Koblenzer Yachtclub „Rhein-Mosel" beheimatet, Der ruhige Liegeplatz, das stille Wasser und die Gastfreundschaft der Koblenzer verleiten schon, einen Tag oder mehrere zu bleiben. Man muß aber den Mast legen, um durch die sehr niedrigen Brücken zu kommen. Unterhalb Koblenz beginnt das Neuwieder Becken. Die Berge liegen weitab vom Strom, gute Windverhältnisse und lange, gerade laufende Strecken des Stromes machen das Segeln zur reinen Freude. Bei Andernach wird das Tal noch einmal enger, und der Berg Hammerstein fällt wie ein wuchtiger Fels fast senkrecht ab bis dicht ans Ufer. Die Insel Hammerstein hat schöne Liegeplätze, ebenso die Insel Namedy, deren Sprudel wieder in Tätigkeit ist und von Zeit zu Zeit eine riesige Fontäne in den Himmel spuckt. Hier findet man auch wieder mehrere Fischreiher. Weiter rheinabwärts kann man im Hafen von Brohl oder noch weiter, aber besser im Hafen von Oberwinter anlegen. Von hier aus hat man einen wundervollen Blick auf das Siebengebirge und den Drachenfels. Im Hafen von Oberwinter hat auch der Bonner Yachtclub seit diesem Frühjahr seinen Liegeplatz gefunden. An windgeschützter Stelle ist eine Anlage aus Brücken, Stegen und Schwimmern im Werden, an denen auch Gäste liegen können. Ein Bootswart ist auch ständig da. Einige Kilometer weiter liegt rechtsrheinisch an der Insel Grafenwerth ein landschaftlich besonders schöner Ankerplatz. Für tiefgehende Jachten ist bei Niedrigwasser die Einfahrt schlecht. Rechts des Rheines passieren wir nochmal das Siebengebirge, und zur Linken sind die Berge schon sehr weit ab vom Strom. Bei meist westlichen Winden ist von hier bis Bonn ein recht gutes Segelgebiet. Aber erst unterhalb Bonns, wo das Land ganz flach ist und der Wind freie Bahn hat, schlägt das Herz des Seglers wieder ganz hoch, und in langen Kreuzschlägen hat man bald Köln erreicht. Liegen kann man hier beim Kölner Segel-Klub in Roden-kirchen, der leider keinen Hafen hat. Auch an den vielen schwimmenden Bootshäusern oder in den verschiedenen Häfen in und gegenüber Köln sind Anlegemöglichkeiten. Unterhalb Köln wird der Strom wieder breiter, und auf dieser Strecke finden wir gute Liegeplätze in den Häfen von Hitdorf und Voll-merswerth. An Benrath vorbei, glauben wir bald in Düsseldorf zu sein. Aber die riesigen Schleifen des Rheines verlängern die Strecke, und es dauert noch eine ganze Weile, bis wir die Stadt und den Jachthafen erreicht haben. Düsseldorf, diese bezaubernde Stadt am Niederrhein, mit ihren grün-patinierten Kirchtürmen, mit einer Atmosphäre, die ihr nicht unberechtigt den Namen „Klein-Paris" gibt, diese Stadt hat auch den bestangelegten Jachthafen vom ganzen Rhein. Und eine beachtliche Jachtflotte, angefangen mit den vielen kleinen Piraten bis zu den großen Seekreuzern, ist hier zu Hause. Wir segeln weiter rheinabwärts, und der Niederrhein nimmt uns immer mehr in seinen Bann. Kleine Naturhäfen links und rechts des Stromes bieten schöne Ankerplätze. Dann müssen wir durch das Industriegebiet und durch einen Schiffsverkehr, der wohl kaum überboten werden kann. Aber bald segeln wir wieder in der Weite des Niederrheins, vorbei an Wesel mit seinem idyllischen Jachthafen. Zur Linken liegt die mittelalterliche Stadt Xanten, und zur Rechten kommt die Insel Reeser Eiland in Sicht. Nach einer langen Strecke, in der sich der Rhein noch mehrmals in nördlicher und westlicher Richtung krümmt, liegt als letzte Stadt auf deutschem Boden Emmerich und die deutsche Zollstation. Und dann kommt die Grenze.
Aber wir können weiter. Wir können durch Leek und Waal nach Amsterdam oder Rotterdam, wir können durch die vielen Kanäle auf die kleinen und großen Binnenseen Hollands, wir können noch weiter, auf die Nordsee und auf das weite Meer. Diese Möglichkeit gibt uns Rheinseglern ein Gefühl der Weite, die uns kein Binnensee vermitteln kann. Mag der Mittelrhein mit seiner regen Betriebsamkeit in der Schiffahrt unseren Sport manchmal beengen, das ständige Begegnen mit Schiffen, die die Flaggen fast aller Länder Europas führen, auch dies gibt uns ein Gefühl der Weite. Es ist verbindend und befreiend zugleich.
Sternfahrt zum Biesbosch
Die Wassersportvereinigung „De Amer" in Breda (Holland) veranstaltet alljährlich eine Sternfahrt für Wassersportfahrzeuge zu dem in der Provinz Brabant gelegenen „Biesbosch" mit dem Ziel Geertruidenberg. Mit dieser Sternfahrt ist stets eine große gemeinschaftliche Rundfahrt aller beteiligten Boote durch die schönsten Teile des „Biesbosch" verbunden. Dieses einzigartige Gebiet im Bereich der Mündungsarme von Rhein und Maas ist ein Süßwasser-Gezeiten-Delta, das in solch ausgeprägter Form auf dem europäischen Kontinent einmalig ist. Charakteristisch für den Biesbosch sind die vielen kleinen Wasseradern, dort „Killen" genannt, deren Ufer hoch mit Ried bewachsen sind. Der unreglmäßige und oft stark gewundene Verlauf der Killen verstärkt den Eindruck, daß in diesem nur schwach besiedelten Gebiet die Natur von Menschenhand kaum berührt wurde. Der Biesbosch gilt in Holland als eine Art Naturdenkmal, in dem Flora und Fauna noch typisch so erhalten sind, wie einst in der ganzen niederländischen Tiefebene, die vor vielen Jahrhunderten aus einer ähnlichen Deltalandschaft bestanden haben soll.
Die an der Sternfahrt teilnehmenden Fahrzeuge sind in 4 Klassen eingeteilt, nämlich Segeljachten mit Kajüte, offene Segelboote, Motor Jachten sowie Kanus und Ruderboote. In jeder dieser Klassen werden zwei Preise ausgegeben an die Teilnehmer, die binnen einer Woche vor dem festgesetzten Eintreffen am Zielort Geertruidenberg die größten Strecken zurückgelegt haben. Für den Nachweis der gefahrenen Kilometer müssen in einem vorher zugesandten Programmheft Bescheinigungen eingetragen sein, sowohl vom Hafenmeister des Heimathafens über den Zeitpunkt der Abfahrt als auch von verschiedenen Zwischenstationen, sofern nicht der kürzeste Wasserweg gewählt wurde. Dabei ist es gleichgültig, welche Art Fortbewegungsmittel während der Reise verwendet werden, d. h. Segeljachten dürfen auch nach Belieben geschleppt werden oder mit Motor fahren.
Der Zielort Geertruidenberg ist eine idyllische Kleinstadt, die sich rühmt, die zweitälteste Stadt in Holland zu sein und die im Mittelalter als Festung große Bedeutung hatte. Heutzutage verdienen in erster Linie die schönen Giebel der alten Bürgerhäuser besondere Beachtung. Der Hafen von Geertruidenberg ist dem Gezeitenwechsel unterworfen mit einem Tidenhub von etwa 1,5 Meter...Für die im westlichen Bundesgebiet beheimateten Jachten, insbesondere für die Rheinanlieger, dürfte diese Sternfahrt in den kommenden Jahren als eine willkommene Gelegenheit für eine schöne Wanderfahrt stets an Bedeutung gewinnen.
30 qm - Binnenkielboot und Nat. 45er auf dem Rhein bei Düsseldorf. Von diesen Klassenbooten segeln noch mehrere Vertreter auf dem Rhein.
Auf dem oberrheinischen Revier bei Niederwalluf, dem Paradies der rheinischen Segler. Der Rhein ist hier ganz breit und fließt nur mit einer Geschwindigkeit von 2 bis 3 km zu Tal.
Bootshaus des Düsseldorfer Wasser-Sport-Vereins an der Rotterdamer Straße, neben dem Klubhaus des Düsseldorfer Yachtclubs. Hier findet der Deutsche Seglertag 1956 statt.
Vorbereitung zu einer Rheinregatta in Hitdorf.
Rennen der H-Jollen auf dem Baldeney-See bei Essen. Dieser von bewaldeten Höhen eingeschlossene See stellt hohe Anforderungen an das seglerische Können. Vertreten sind auf diesem See vor allem. Klassenboote: Piraten, O-Jollen und H-Jollen und neuerdings auch Hansa-Jollen, 20er Jollenkreuzer und Stare.
Schleppfahrt auf dem Rhein. Man beachte die vielen Fender auf dem Vordeck. Geschleppt wird mit zwei Trossen.
Piraten vor den Moselbergen in der Mosel-Stausee-Regatta. Zwar stören die Berge die Segler etwas (auch die weinfrohen), aber ohne Weinberge kein Wein! Der Yacht-Club Rhein-Mosel wurde erst 1950 nach Errichtung der Mosel-Staustufe gegründet, hat sich aber rasch entwickelt; er besitzt eine Flotte von 35 Booten.
Die Rhein-Bucht bei Grafenwerth wird von Großschiffahrt nicht berührt und bildet einen idealen Ankerplatz. Die Bucht hat keine Strömung und wird vom Quellwasser mündender Gebirgsbäche gespeist. Daher gute Bademöglichkeit.
Schleppfahrt auf dem Rhein beim KSC Ruhrort. Das Schleppen hinter den schnellfahrenden Expreßschiffen, die eine Geschwindigkeit von 12—16 km haben, verlangt große Aufmerksamkeit vom Rudergänger.
Liegeplatz des KSC Duisburg - Ruhrort am Eisenbahnhafen. Die Duisburger segeln in der Nachbarschaft der Hüttenwerke in einem schwierigen Revier. Ihr Segelparadies sind die benachbarten holländischen Gewässer.
Eine stille Bucht am Klubhaus des YC Möhnesee. Der erst wenige Jahrzehnte alte Möhnesee ist eine der größten Talsperren Europas mit seinen 10 km Länge und 1 km Breite. Der YC Möhnesee hat eine Flotte von 45 Booten.
Der Aasee, das Revier des SC Münster, ist eines der kleinsten Binnenreviere, auf dem gesegelt wird. Der 1948 gegründete Klub begann mit den sogenannten Münstertypen mit 15 in-, zu denen inzwischen auch Piraten gekommen sind. Der 1 km lange und 400 bis 500 m breite Aasee wird von den jetzt 22 Booten des Klubs voll ausgenützt.
Im Zollhafen Emmerich. Die Stadt Emmerich, die letzte deutsche Stadt am Rhein und Zollstation, ist Sitz des Emmericher YC, der oft die rheinischen Segler zu Gast hat, die eine Ferienreise in die holländischen Gewässer machen.
Die Einfahrt in die Bucht von Grafenwerth, einer der vielen schönen Winkel am Rhein.
Frühjahrsregatta 1956 auf dem Mannheimer Altrhein. Auf dem 5 km langen und bis zu 300 m breiten Altrhein, der fast keine Strömung hat, wird schon seit 20 Jahren gesegelt. 1943 wurde der gesamte Bootsbestand der SV Mannheim in einer Nacht durch einen Luftangriff vernichtet. Erst in diesem Jahr wurde die erste Nachkriegsregatta zusammen mit Heidelberger und Wormser Seglern gestartet.