Was kostet der Kauf einer seegehenden Yacht?
Text: Navigator, "Illustrierte Zeitung", 1909
Der Segelsport gilt im Allgemeinen - und wie zugestanden werden muss, nicht ganz mit Unrecht - als ein sehr teueres Vergnügen. Wer Regatten segeln will, muss tatsächlich über einen sehr gesunden Geldbeutel verfügen, wird, selbst bei Beschränkung auf die kleinsten Klassen, nur bei großer Sachkenntnis und Erfahrung mit 4.000 bis 5.000 M aufs Jahr auskommen, und wird in der seegehenden Yacht ein gar nicht so kleines Vermögen anlegen müssen.
Rechnet man daneben noch mit der Tatsache, dass bei dem Segeln auch nicht, wie etwa bei dem Rennsport, wenigstens die Möglichkeit gegeben ist, diese Unkosten durch große Erfolge ganz oder teilweise wieder einzubringen - es gibt mindestens in Deutschland nennenswerte Geldpreise nicht - so kann man es wohl verstehen, wenn eine große Anzahl von Leuten, die an sich Interesse und Neigung für die See und das Segeln haben, die praktische Betätigung scheut.
Es ist eben so gut wie gar nicht bekannt, dass lediglich die Beteiligung an Wettfahrten das Segeln teuer macht, und dass auf der anderen Seite das Tourensegeln vielleicht mehr und höhere Reize bietet als das Treiben auf der Regattabahn. Dass man eine Yacht haben kann, die imstande ist, die Nord- und die Ostsee auf tagelangen Touren zu kreuzen, die dem Besitzer und seiner Familie oder auch mehreren Freunden Wochen hindurch ein schwimmendes Heim bietet, das die Benutzung von Hotels auch für recht verwöhnte Sterbliche entbehrlich macht, ohne viel mehr dafür auszugeben, als man für einen mehrwöchigen Badeaufenthalt ohnehin in den Etat einstellen muss, dürfte den meisten Laien kaum glaublich erscheinen.
Durch die einfache Nennung einer mehr oder weniger hohen Zahl ist nun freilich die Frage, die wir uns eingangs dieser Zeilen gestellt haben, wohl kaum zu beantworten. Es gibt der Faktoren eine ganze Menge - auch Glück und Unglück oder der Zufall spielen dabei natürlich eine Rolle - die eine solche Rechnung sehr stark nach der einen oder der anderen Seite hin beeinflussen können, und die nachstehend durchgeführte Kostenaufstellung ist daher lediglich als ein Beispiel zu betrachten. Die Zahlen können unter Zugrundelegung derselben Bedingungen sowohl unter- als überschritten werden; Anfänger und Laien in der edlen Kunst der Segelei werden ohne sachverständigen Beirat natürlich auch hier einen kleinen Ausschlag als Lehrgeld hinzurechnen müssen.
Es würde sich in unserem Fall etwa um ein Boot handeln, auf dem, außer der aus zwei Bootsleuten und einem Jungen bestehenden Besatzung, Wohn- und Schlafgelegenheit für mindestens vier Personen in der Kajüte vorhanden ist. Nach der Messformel und für Regattazwecke gebaut, ein Fahrzeug von mindestens zwölf bis 15 Vermessungseinheiten, das als Neubau auf einer guten Werft etwa 32.000 bis 50.000 M kosten wird.
Dieselbe Yacht, die dabei für den Tourensegler noch genau ebenso brauchbar und wertvoll ist wie am Tage ihres Stapellaufs, wird nach fünf- bis höchstens sechsjähriger Dienstzeit so viel von ihrem Regattawert eingebüßt haben, dass sie für rund die Hälfte des Baupreises stets zu haben sein wird. Nicht ganz mit Unrecht behauptete seinerseits ein sehr bekannter und bedeutender englischer Fachmann: „Narren bauen Boote, damit die klugen Leute sie kaufen können!"
Noch vorteilhafter aber kauft man ein Tourenboot, wenn man seine Wahl unter dem älteren Material trifft, das bereits früher aus dem Dienst zwischen den Bojen der Regattabahnen geschieden ist. Boote in Größenverhältnissen, wie wir sie hier im Auge haben, sind in den Katalogen der Yachtagenturen in großer Zahl für einen Preis von 2.000 bis 4.000 M zu finden, und dass der moderne Regattamann unser Fahrzeug halb mitleidig, halb verächtlich ein „Waschfass" nennt, darf uns umso weniger kümmern, als dieses Waschfass draußen in schwerer See oft einen behaglicheren und reichlich ebenso sicheren Aufenthalt bietet wie der modernste Rennkreuzcr, der freilich in glattem Wasser schneller läuft.
Für ein derartiges Fahrzeug, das bei 4.000 M Anschaffungskosten nach fünfjährigem Gebrauch noch immer für etwa 2.000 M wieder zu verkaufen ist, würde sich also - auf einen Zeitraum von fünf Jahren - folgende Kostenrechnung ergeben:
1. Anschaffung 4.000 M mit 4 Prozent Zinsen auf fünf Jahre: 4.800 M.
Ab Verkauf der Yacht mit 2.000 M
Bleiben 2.800 M. Auf fünf Jahre verteilt, ergibt sich hieraus ein erforderlicher Jahresaufwand von 560 M
2. Unterhaltung, Winterlager, kleine Reparaturen: 170 M
3. Kosten der Besatzung bei zweieinhalb Monaten Diensttage: 800 M
4. Proviant, Material usw. für die Reisen: 300 M
Summa 1.830 M
Rechnet man hierzu noch für unvorhergesehene kleine Ausgaben den Betrag von 170 M, so ergibt sich eine Summe von rund 2.000 M oder, wenn man noch vorsichtiger kalkulieren will, 2.500 M aufs Jahr, für die man ein Fahrzeug solcher Größe unterhalten kann. Hat nicht nur der Eigner, was man wohl als selbstverständlich annehmen darf, und was auch bei diesem Anschlag berücksichtigt ist, Interesse genug für seinen Sport übrig, um die Führung selbst zu übernehmen, sondern sind außerdem noch Familienmitglieder vorhanden, die Lust und Neigung haben, an Bord Dienst zu tun, so kann man, mindestens nach dem ersten Jahre, wenn man genügend vertraut mit dem Boot und seiner Handhabung ist, auch recht gut einen Mann der Besatzung entbehren. Die Teilnahme an den Arbeiten an Bord und in noch höherem Maße natürlich die Führung des Schiffes sind auch dem Neuling erfahrungsgemäß hochinteressante Dinge, und selbst Damen stehen oft genug am Ruder einer Yacht oder beteiligen sich auch gelegentlich an der großen Reinigung des Decks wie der tüchtigste Matrose. Tun sich aber etwa drei oder vier jüngere Leute zusammen, um gemeinsam eine solche Yacht zu erwerben, so ist es wohl selbstverständlich, dass sie mit einem Bootsmann auskommen und den seemännischen Dienst selbst tun.
Der Aktionsradius eines solchen Bootes ist in der Praxis nahezu unbegrenzt. Touren durch die dänischen Inseln, nach Schweden und in die herrlichen Fjorde Norwegens sind wohl meist das Ziel unserer deutschen Seesegler. Es steht aber auch einer Reise an die lange nicht ihrer Schönheit entsprechend gewürdigte Küste Schottlands durchaus nichts im Wege, und wenn man besonders vornehm sein will, kann man ja auch zur Cowes Week das schöne Wight mit einem Besuche in der eignen Yacht bedenken. Vor dem Wetter - das mag der angehende Yachteigner sich gesagt sein lassen - braucht man in einem Boot dieser Größe keine Sorge zu haben. Ein wenig Passion und der nötige Sinn für die Schönheit der Natur, die auf See im tobenden Sturm, wenn von den glasigen, grünen Wogen die schneeigen Schaumkronen grüßen, vielleicht noch hehrer hervortritt als in Sonnenlicht und Stille, das ist alles, was nötig, um sich wohl und heimisch zu fühlen auf dem schwimmenden Heim.
Auch den Neubau einer Yacht kann man sich übrigens sehr erheblich verbilligen, wenn man auf die Beteiligung an Wettfahrten verzichtet und allerdings eine von der üblichen abweichende Form des Rumpfes anwendet.
In der amerikanischen Yachtflotte finden wir eine große Anzahl von Fahrzeugen, bei denen - nach dem Vorbilde kleiner Handelsfahrzeuge bzw. Fischerboote - der U- oder V-förmige Querschnitt des Bootes durch einen solchen aus geraden Linien ersetzt ist. Es sind dies die gewöhnlich nur kleine Dimensionen zeigenden Sharpies mit rechteckigem Querschnitt und der Skippjack, dessen Seitenwände im Verein mit dem Deck ein Fünfeck bilden. Letztere oft Boote von sehr respektablen Dimensionen und ebenso tüchtige wie sichere und relativ auch schnelle Seeboote.
Der Verzicht auf gewachsene oder künstlich gebogene Spanten, die Möglichkeit, breitere Seitenplanken zu verwenden und viele andere technische Erleichterungen lassen einen solchen Skippjack sich ganz erheblich billiger stellen als ein Boot gewöhnlicher Form. Ein Fahrzeug, mit dem vier nicht allzu verwöhnte junge Leute bequem die ganze Ostsee bereisen könnten, und das bei etwa 9,4 m Länge über Deck 2,8 m Breite und 1,1 m Tiefgang besitzt, dürfte sich, allerdings bei Anwendung des billigsten Materials, für ungefähr 2.000 bis 2.500 M herstellen lassen.