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Fundbüro

Fundstück: "Ungleiche Brüder" 1954

Zur Naturgeschichte des Renn- und Fahrtenseglers, 1954

Eine Rennjacht ist ein Boot, das gut kreuzt, eine Kreuzerjacht ein Boot, das nicht rennt. Man hat das eine oder das andere.

Der Rennsegler ist Sklave eines genau festgelegten Programms: Startzeit, Bahn, Besatzungszahl. Der Fahrtensegler sagt: "Ich will segeln wann ich will, wo ich will und mit wem ich will. Damit packt er die gesamte Familie auf, einschließlich Schwiegermutter, Wellensittich und "Jacht-Hund".

Der Rennsegler baut sich - vorausgesetzt er hat die Moneten dazu - in jedem Jahr ein neues Boot in der Klasse, die gerade Mode ist. Sie tragen immer den gleichen Namen, durchnumeriert von 1-100 und dann wieder von vorn, wie einstmals die Fürsten von Reuß Aeltere Linie. Der Fahrtensegler ist mit seinem Boot verwachsen. Er wird alt und grau damit. Er feiert, wenn er's erlebt, mit ihm silberne Hochzeit. Nur die wachsende Kinderzahl oder das wachsende Portemonnaie können ihn zu einem Neubau veranlassen.

Die Inneneinrichtung einer Rennjacht beschränkt sich aus Gewichtsersparnis auf einen Korkenzieher und ein paar wasserdichte Kissen, genannt "Heck-Fender". Der Fahrtensegler gruppiert sein Boot liebevoll um eine Eisbox und die Kochkiste. Der elektrische Radieschenschäler wird an den Hilfsmotor gekoppelt. Er huldigt auch auf See dem Grundsatz: "Man muß sich das Leben behaglich machen - dazu hat man es." Mit 40 spätestens kriegt er einen Bauch.

Der Rennsegler ist ein guter Familienvater, allerdings saisonbedingt. Sobald das Radio Tauwetter verheißt, sagt er: "Was schiert mich Weib - was schiert mich Kind! Ich· muß jetzt in Dienst stellen!" Malen, lacken, auftakeln, trimmen von'Segeln und Mannschaft. Endlich - lang ersehnt! der Startschuß für die Frühjahrsregatten. Sind die zu Ende, geht er auf Gastspiel.

Solche, die zu Haus mehr am Tampen segeln, bevorzugen abgelegene Reviere, wie etwa die Blaue Grotte oder den Titicacasee. Geschmückt mit einer stolzen Zahl von Preisflaggen kehren sie rechtzeitig zu den Herbstwettfahrten zurück. - Der Nachwuchs ist inzwischen bei der Jugendabteilung gut aufgehoben. Er selbst bekommt erst Interesse dafür, wenn der Junge als Fockaffe zu brauchen ist. Dann allerdings sind sie unzertrennlich.

Ganz anders der Fahrtensegler. Die Statistik zeigt, daß die Fahrtensegelei seit Erfindung der kondensierten Milch, genannt "die Blechkuh", erfreulich zugenommen hat. Nunmehr kann schon der kleinste Wurm unbeschadet mit, sobald er die Sandkiste ausgewachsen hat. Was ein Bootshäkchen werden will, krümmt sich beizeiten.

Der Rennsegler fährt grundsätzlich nur im Kreise. Je rascher er die vorgeschriebenen Runden abgerissen hat, um so schöner war die Regatta. Er packt das kostbare Rennsegel weg und setzt sich fachsimpelnd bis zur Preisverteilung in die Glasveranda, mag draußen auch der schönste Wind sein.

Der Fahrtensegler fährt nie in die Runde, sondern stur geradeaus, je länger, je lieber. Nur die bittere Notwendigkeit, am Montag früh wieder im Amt oder Geschäft sein zu müssen, scheucht ihn nach Haus. In den Ferien bleibt er ganz weg. Nachtlager und Verpflegung hat er bei sich.

Der eine. sucht eben auf dem Wasser Spannung, der andere Entspannung. Gelegentlich aber will man mal das Gegenteil ausprobieren. Der Rennsegler geht also auf Langfahrt, so wie er sich das denkt. Angetan mit einer Badehose schippert er mit seinem hochgetakelten Kindersarg bei Windstärke 10 nach Helgoland. Ist das die berühmte "Entspannung"? Enttäuscht und mit zerrissenem Segel kehrt er nach seinem heimatlichen Stölpchensee zurück, um für den Rest seiner Tage dort Regatta zu segeln.

Umgekehrt möchte der Kreuzermann mal Regatta segeln, um Mutterchen einen Blumentopf mitzubringen. In der "guten alten Zeit", wo es in jedem Klub soviel verschiedene Bootstypen gab, als er Mitglieder zählte, wurde nach einem "Ausgleich" gesegelt. Die Männer mit den längsten Bärten bemühten sich in vielen und dursterzeugenden Sitzungen, das Flußpferd und den Zwergdackel unter einen Hut zu bringen. Noch dazu einen verstellbaren Hut, je nach der Windstärke. Bei der Preisverteilung wurde als Sensation ein Mann vorgeführt, der seinen Ausgleich gerecht gefunden hatte. Das war der, der gesiegt hatte. Alles andere schimpfte.

Heute hat man Langfahrtregatten nach dem Muster der einstigen Teeklipper. Man braucht deswegen nicht extra nach Ostasien zu fahren. Hamburg-Bermudas ist auch schon ganz ordentlich. Bescheidene Gemüter begnügen sich mit "Rund um Skagen". Das ist dann kein Wettsegeln, bei dem es auf Zufallssekunden ankommt, das ist eine Leistungsprüfung in Seemannschaft für Führer, Mannschaft und Fahrzeug, und jeder, der sie besteht, hat einen Preis verdient.

An der Hand dieser Ausführungen könnte sich, so meint man, jeder aussuchen, ob er Renn- oder Fahrtensegler werden will. Verzeih, lieber Leser, das kann er eben nicht. Das sucht man sich nicht aus, damit ist man geboren, wie das Kamel mit seinem Höcker oder der Schwan mit seinem langen Hals. Es soll allerdings so etwas wie einen "Höckerschwan" geben, aber ich habe noch keinen gesehen, wenigstens keinen seglerischen.

Ausprobiert habe ich beides, und ich weiß nun: Segeln ist so oder so- ist immer schön! - Es ist eine Krankheit, die man meistens schon geerbt hat, die unheilbar ist, und die erst mit dem Tode endigt.

Käthe Bruns