A. Tiller: 35 Jahre Segeljachtbau, 1935 - Teil 1
Von Artur Tiller, Charlottenburg
Anlässlich des 35jährigen Bestehens der Schiffbautechnischen Gesellschaft will ich Ihnen in Wort und Bild einen kritischen Überblick über die Fortschritte des deutschen Segeljachtbaues in den letztvergangenen 35 Jahren geben.
In meinem am 22. November 1931 an gleicher Stelle gehaltenen Vortrag über den damaligen Stand des Segel- und Motorjachtbaues streifte ich bereits die Anfänge des Jachtbaues, so daß ich mir Wiederholungen ersparen kann. Ausführliches über die rein geschichtliche Entwicklung des Jachtbaues bietet Ihnen die holländische und englische Literatur. Leider existieren ähnliche Werke in deutscher Sprache nicht, trotzdem die Geschichte des deutschen Jachtbaues dafür ein reichhaltiges Material bieten würde.
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Einen Wendepunkt im Segeljachtbau der Welt bildete das Jahr 1891, als der geniale amerikanische Konstrukteur N. Herreshoff die erste Segeljacht mit muldenförmigem Rumpf und Löffelbug, den kleinen Wulstkieler „Dilemma" schuf. Bis zu diesem Zeitpunkte waren die Segeljachten in der Form ihres Rumpfes nicht wesentlich von den damals üblichen Handelsschiffen verschieden. Zwar besaßen sie teilweise eine erheblich größere Aufkimmung des Hauptspantes, bzw. war das Hauptspant schon S-förmig herabgezogen, aber der mehr oder minder lange, meistens steuerlastig gelegte Kiel, der gerade Vorsteven und das kurz aufgeholte Heck waren doch unverkennbare Kennzeichen des alten, konservativen Jachtbaues. In den Bildern l und 2 will ich Ihnen noch einmal einige charakteristische Jachttypen jener vergangenen Zeit vorführen. Bild l zeigt uns die typische alte Rennjacht mit geradem Steven und großem L : B, die ihre Stabilität ausschließlich aus dem ungeheuerlich anmutenden Bleikielgewicht bezog. Dieses Prinzip der Gewichtsstabilität war aber damals nicht nur auf Rennjachten allein beschränkt. Der nachfolgende kleine Kreuzer in Bild 2 zeigt dieselben Grundbedingungen; beträgt doch das Gewicht des Bleikiels bei ihm fast 70% des Gesamtgewichtes! Das ist ein verblüffendes Verhältnis, das bis heute selbst beim modernen Löffelbugtyp meines Wissens noch nie wieder erreicht worden ist.
Einen wesentlichen Fortschritt bedeutet dann schon die in Bild 3 dargestellte Rennjacht mit Klipperbug. Zwar ist der Klippersteven im Handelsschiffbau bereits um 1810 von den berühmten Baltimoreklippern (Schnellsegler!) angewandt worden, aber in der hier gezeigten Form, in der der konkave Steven die ganze Schiffsform, zum mindesten aber das Vorschiff beherrscht, ist er doch nur im Jachtbau, und zwar hauptsächlich in den Jahren 1885 bis 1891 zur Anwendung gelangt.
Der Klipperbug erlebte aber nur eine kurze Blütezeit. Auch er wurde im Jahre 1900 fast ganz von dem Löffelbug verdrängt. Dennoch sagt uns ein Blick auf Bild 3, dass die Klipperstevenjacht bereits einen gewaltigen Fortschritt gegenüber der gradstevigen Jacht bedeutet. Man hatte Seetüchtigkeit mit Schnelligkeit zu verbinden gelernt, wie das auch der kleine Fahrtenkreuzer in Bild 4 bestätigt.
Durchschnitten nun die älteren Segeljachten nach Bild l bis 4 mit ihrem scharfen, keilförmigen Vorschiff das Wasser, um es dann bei Seite zu schieben, so suchte der neue Herreshoff-Typ mit seinem flachen, muldenförmigen Rumpf darüber hinwegzugleiten. Und dieses letzte System hat sich nun nach fast 45 jähriger Erfahrung als das unbedingt bessere erwiesen; besonders dann, wenn es sich bei Rennjachten um Gewichtsausnutzung einer nach oben begrenzten maximalen Verdrängung handelt. Auch die Stabilitätsverhältnisse und die segeltragende Kraft des neuen Typs waren selbst bei wesentlich geringerer Verdrängung, gleiche Länge und Breite in der Schwimmebene vorausgesetzt, erheblich bessere. Bei diesem Typ kommen besonders bei glattem Wasser die langen, überhängenden Enden des muldenförmigen Rumpfes, also der Löffelbug und das flach ausgezogene Heck, zum Tragen. Betrug doch bei vielen Rennjachten die Deckfläche oft das 1,5-fache der Wasserlinienfläche. Nur eines soll noch erwähnt werden: daß der neue Typ im Jahre 1891 unverändert die alte Sloop- bzw. Kuttertakelage übernahm; es änderte sich also in der Besegelung nichts.
Und so lagen die Verhältnisse auch noch neun Jahre später, im Jahre 1900. Der gerade Steven und der Klipperbug waren endgültig von der Regattabahn verschwunden. Mit ihnen der steuerlastige gerade Kiel und das lange scharfe, keilförmige Vorschiff, wie Bild l es zeigt. Die Rennjachten um 1900 waren in der Form des Rumpfes auf dem von der „Dilemma" gezeigten Weg fortgeschritten, d. h. sie besaßen einen mehr oder minder muldenförmigen Rumpf mit einem Hauptspant nach Bild 5, im Gegensatz zu dem tiefen Hauptspant der geradstevigen Jacht nach Bild 6. Dabei ist es gleichgültig, ob dieser neue Jachttyp seinen Außenballast ähnlich der „Dilemma" (Bild 7) in Gestalt einer Bleizigarre an einer dünnen Stahlplatte trug (Bild 8) oder nach Bild 9 am unteren Ende einer Holzflosse, bzw. ob er als reine Kieljacht nach Bild 10 entworfen war.
5 + 6 Vergleich Hauptspanten
7 "Dilemma"
In den nachfolgenden Rissen will ich Ihnen eine Reihe schneller Rennjachten aus dem Jahre 1900 vorführen, die für den damaligen Stand des deutschen Segeljachtbaues typisch sind. Der in Bild 8 dargestellte deutsche Stahlkutter „Kommodore II" (Konstrukteur: Dir. Hagen, Kiel) war auch im Ausland eine sehr erfolgreiche Jacht. „Kommodore II" war wohl das Endergebnis und für Deutschland die größte Verkörperung des Herreshoffschen Wulstkielprinzipes nach Art der „Dilemma". Als solche besaß diese Jacht alle Vorzüge jenes Typs. Der Kutter entfaltete in jeder Wetterlage eine außergewöhnliche Schnelligkeit. Seine Stabilität war trotz der relativ geringen Verdrängung infolge des sehr tief gelagerten Ballastes in Gestalt eines Bleiwulstes sehr groß. Erst als 1907 in Deutschland das internationale Meßverfahren eingeführt wurde, das die Differenz zwischen Schmiegen- und Kettenumfang zu stark belastete, war seine Regattalaufbahn beendet. Andererseits besaß der Kutter auch alle Nachteile des „Dilemma“-Typs. Er lag infolge seines kurzen, zusammengedrängten Lateralplans unruhig auf dem Ruder, war auch raumschots sehr nervös und infolge seines extrem muldenförmigen Rumpfes ein schlechtes Schwerwetterboot.
8: "Kommodore II"
8a "Kommodore II"
Die in Bild 9 gezeigte, 1899/1900 erbaute kleine Rennjacht (Sonderklasse) im Flossenkieltyp, die "Wannsee", war gleichfalls ein schnelles Boot; sie war im Jahre 1911 unbestritten das schnellste ihrer Klasse. Aber auch bei der „Wannsee" ist das „Dilemma“-Prinzip unverkennbar. Nur wurde hier die Stahlblechflosse in eine schmale Holzflosse abgewandelt, an deren Unterkante der Bleikiel gebolzt ist. Noch mehr als bei „Kommodore II" liegt bei der „Wannsee" der Schwerpunkt der Hauptspantfläche nahe unter der Wasserlinie. Ein Blick auf diesen Riss sagt uns, dass eine große seegehende Kreuzerjacht, nach gleichen Grundsätzen erbaut, eine Unmöglichkeit gewesen wäre.
9a Sonderklasse "Wannsee"
9b Segelriß "Wannsee"
10 a Kielyacht
10b
Eine der hervorragendsten deutschen Rennjachten war die 1899/1900 erbaute Rennjacht „Klein-Polly" (Bild 11). Im Gegensatz zu „Kommodore II" und „Wannsee" ist sie nach dem 1898 ins Leben gerufenen Segellängen-Messverfahren erbaut, das seinerseits die seit 1893 im Gebrauch gewesene Benzonsche Formel in Deutschland ablöste.
Diese Benzonsche Messformel
besteuerte die extrem flachbodigen Rennflundern und Wulstkieler sehr wenig. Der Faktor G (Breite und Tiefgang als Umfang eingesetzt) war dazu nicht ausreichend. Sie wurde deshalb bereits fünf Jahre später, also im Jahre 1898, von der Segellängenformel:
= Rennwert in Segellängen, abgelöst. Hierin war L die Länge der Jacht, 5 cm oberhalb der Schwimmebene gemessen, B die größte Breite und G der größte Umfang; S bedeutet die Segelfläche.
Diese Segellängen-Meßformel war das um 1900 herrschende Meßverfahren, das für den Entwurf der damaligen deutschen Rennjachten maßgebend war. „Klein-PolIy" ist sicher ein sehr hochwertiges Produkt deutscher Jachtbaukunst gewesen. Sie schlug ihre Gegner mit spielender Leichtigkeit, sobald nicht gar zu flauer Wind war. Trotz ihres nach heutigen Begriffen kleinen Lateralplanes leistete sie angeblich ihr Bestes bei Seegang und flotter Brise auf Kursen hart am Winde, also beim Kreuzen; sie beherrschte ihre Klasse unbestritten fast fünf Jahre lang.
11a "Klein Polly", 1900
11b Segelriß "Klein Polly"
Sehr interessant ist auch der folgende Riß (Bild 12), der die Ausnutzung dieses deutschen Segellängen-Meßverfahrens durch den amerikanischen Jachtkonstrukteur Crowninshield darstellt. Der „Swan" (Kl. IV, 8 bis 10 SL) zeigt ein mächtiges Oberwasserschiff, noch weit gewaltiger als das der „Klein-Polly" (Kl. V, 6 bis 8 SL). Beiden Jachten gemeinsam ist der damals angewandte kurze, aber tief reichende Lateralplan, die langen Überhänge und die relativ sehr geringe Verdrängung. Der „Swan" wurde 1903 in USA nach der deutschen Segellängen-Meßformel erbaut und schnitt auf sämtlichen deutschen Regatten (in Kiel) sehr gut ab. Auch er leistete sein Bestes bei leichter und mittlerer Brise; er war sowohl ein guter Beimwinder als auch Raumschotläufer.
12a Segellängenyacht "Swan"
12 b Segelriß "Swan"
Außer diesen Meßverfahren für Rennjachten gab es um 1900 die bereits 1898 geschaffene Meßformel für sogenannte Kreuzerjachten. Wie wenig die letztere aber ihrem Zweck entsprach, beweist die Tatsache, daß bereits fünf Jahre später, also im Jahre 1903, diese Kreuzerformel auch für Rennjachten angenommen wurde. Sie lautete:
= R in Segellängen.
Hierin bedeutet F den Freibord, an der niedrigsten Stelle gemessen, und d die Differenz zwischen Ketten- und Schmiegenumfang.
Mit dieser Belastung der Umfangsdifferenz durch d sollte eine erhöhte Seetüchtigkeit erzielt werden, da ja d Jachten mit flachem Boden stark besteuerte. Wie wenig sie es aber in der Praxis tat und wie sehr extrem formstabile Jachten mit flachem Rumpf trotzdem erfolgreich waren, zeigen „Klein-Polly" und „Swan" zur Genüge.
Ein weiteres Beispiel hierfür ist die 1905 entworfene Kreuzerjacht „Rhe" (10 SL), deren Spantform die geistige Verwandtschaft mit „Klein-Polly" nicht zu leugnen vermag. „Rhe" ist nach unseren heutigen Begriffen keine Kreuzerjacht, sondern eine Rennjacht. Ihr flaches, formstabiles Hauptspant, ihre geringe Verdrängung, der sehr beschnittene Lateralplan und die langen, flachen Überhänge haben nichts Kreuzermäßiges an sich.
Werfen wir rückschauend einen kurzen Blick auf die Fortschritte des deutschen Jachtbaues zur Zeit der letzten Jahrhundertwende, so ist festzustellen, daß außer dem Genie einzelner weniger Konstrukteure einmal die stetig fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnis in Verbindung mit der Ausnutzung praktischer Erfahrungen und das andere Mal die verschiedenen Meßformeln als die beiden hervorragendsten Faktoren von ausschlaggebendem Einfluß auf die Entwicklung der Form der Segeljachten waren.
Der genaue Anteil dieser beiden Faktoren läßt sich aber im einzelnen nicht genau bestimmen. Es liegt in der Natur der Sache, daß sich beide überschneiden müssen. Wenigstens hatte diese Behauptung seit dem Jahre 1876 Gültigkeit, als man in England die alte „Tonnage-Rule" durch das „Thames measurement" ersetzte.
Wären die Formen der Segeljachten nur auf rein wissenschaftlichem Wege unter Ausnutzung der dabei gemachten praktischen Erfahrungen ohne Meßformeleinflüsse entwickelt worden, so wären wir heute in der Konstruktion des idealen Segeljachttyps - vielleicht - schon wesentlich weiter. Keines der vielen Jachtmeßverfahren war bis dahin ideal in seiner Wirkung gewesen. Sie hatten im Gegenteil den Jachtbau nur mehr oder minder auf Abwege bzw. in Sackgassen geführt und den wirklichen Fortschritt behindert.
Bereits das ,,Thames measurement" führte zu einer äußerst ungesunden Entwicklung der damaligen Rennjachten, da es durch zu hohe Besteuerung der Breite viel zu schmale Jachten stark bevorzugte. Wir finden in dieser Formel die Breite dreimal eingesetzt:
= Rennwert
Ich bitte Sie, sich nur einmal den Rennwert eines schlanken Schärenkreuzers und den eines in der Verdrängung etwa gleich großen, dicken Seefahrtkreuzers nach dieser Meßformel auszurechnen. Sie werden erstaunt sein, wieviel unverhältnismäßig günstiger der schlanke Schärenkreuzer dabei abschneidet, und wird man sich dann nicht wundern, daß das „Thames measurement" sogenannte „Lineale" mit einem Hauptspant nach Bild 5 und riesigem Bleiballast erzeugte, da weder Tiefgang noch Verdrängung besteuert wurden.
Im Jahre 1880 wurde die vorstehende Formel etwas geändert; sie lautete jetzt:
= Rennwert
Aber bald entdeckte man, daß B auch jetzt noch zu hoch besteuert war und daher praktisch immer noch das Lineal als bestes Meßformelergebnis ergab.
Zur Illustration dieser vorstehenden Behauptung, daß oft Meßformeln mehr als alle wissenschaftlichen Erkenntnisse die Formen der Segeljachten ausschlaggebend beeinflußten, kann ich mir nicht versagen, Ihnen aus dieser Zeit die Rennjacht „Mascotte" vom Jahre 1882 vorzuführen. Ich glaube kaum, daß sich unter uns ein Segler befindet, der heute noch eine solche Form des Bootsrumpfes für erstrebenswert hält und sich diese Jacht für den eigenen Gebrauch wünscht. Abgesehen davon, daß eine so kleine Jacht mit derartigen Hauptabmessungen L: B ~ 6 : l und Gewichtsverhältnissen (Bleikiel ~ 65% der Verdrängung) niemals das Ideal eines Seebootes sein kann, ist sie ihres absolut großen Tiefganges wegen (Länge etwa 8,60 m, Tiefgang etwa 1,75 m) auch für Binnengewässer völlig unbrauchbar und außerdem sehr kostspielig in der Beschaffung.
Der damals zur Anwendung kommende gerade Steven setzte einen scharfen Eintritt der Wasserlinien des Vorschiffes voraus. Selbst die in Bild l gezeigte, in ihren Maßverhältnissen wesentlich gemäßigtere „Genesta" besitzt ein ungewöhnlich scharfes Vorschiff, das auch im Oberwasserschiff nur wenig Reserveverdrängung aufweist. Die Wirkung eines solchen geradstevigen Vorschiffes war dann auch beim Kreuzen im Seegang sehr ungünstig. Die Jachten unterschnitten bei Seegang und segelten sehr naß.
Wesentlich günstiger wirkte sich schon das kurze, steile Heck der „Mascotte" aus, das bereits genügend Reserveverdrängung im Oberwasserschiff besaß. Da aber ein vorderer Überhang als Gegenwirkung gänzlich fehlte, verschob sich bei gekrängt segelnden Schiffen der Auftriebsschwerpunkt entsprechend nach hinten. D. h. bei eintretender Krängung kam die Reserveverdrängung des Achterschiffes zum Tragen, und die Jacht steckte infolgedessen die Nase in die See, während das Hinterschiff austauchte. Dagegen war die Fläche des Hauptspantes dieser alten Rennjachten, bezogen auf die Länge des Bootes, im allgemeinen nicht zu groß. Aber die Form des Hauptspantes war für die Stabilität und den Widerstand durch die angewandte Flächen-Verteilung in der Tiefe sehr ungünstig.
Wenn Sie nun nochmals einen Blick auf Bild 3 werfen, so dürfte das soeben Gesagte genügen, um festzustellen, daß die Klipperstevenjachten in allen diesen Punkten bereits einen ganz erheblichen Fortschritt in der Jachtkonstruktion darstellten.
Der Klipperbug hatte schon eine beträchtliche Reserveverdrängung des Vorschiffes aufzuweisen. Er vertrimmte also in gekrängter Lage weit weniger. Der stark ausfallende Bug wies die beim Kreuzen überkommenden Seen selbst bei grober See gut ab. Das Hauptspant der Jacht mit Klipperbug weist eine wesentlich günstigere Flächenverteilung auf. Der Verdrängungsschwerpunkt lag infolgedessen höher. Das ergab wiederum bei eintretender Krängung einen rascher nach Lee auswandernden Verdrängungsschwerpunkt und dementsprechend größere Hebelarme der aufrichtenden Kraft aus F - G • Verdrängung. Mit anderen Worten: die Stabilitätseigenschaften waren günstiger. Da zudem der Vorfuß stark weggeschnitten und der Rudersteven stark geneigt angeordnet war, war eine derartige Jacht in schwierigem Fahrwasser wendiger und dem Ruder besser gehorchend, und nicht zuletzt war auch die Reibungsoberfläche des eingetauchten Rumpfes - gleiche Verdrängung vorausgesetzt - geringer.
Vergleichen Sie nun die flachen, muldenförmigen Bootskörper der Segellängenjachten mit diesen älteren Jachttypen, so können wir wiederum ganz andere Eigenschaften des letzteren Typs feststellen.
Die Segellängenjachten verkörperten den „Dilemma"-Typ, wie das am deutlichsten ein Vergleich des „Swan" (Bild 12) mit der "Dilemma" (Bild 7) zeigt. Löffelbug und flach ausgezogenes Heck ergeben über Wasser eine ganz ungeheure Reserveverdrängung des Oberwasserschiffes und ein im Verhältnis dazu kleines Unterwasserschiff. Daß ein nach diesen Grundsätzen konstruierter Rumpf dennoch eine weit größere segeltragende Kraft (= Stabilität) besitzt als eine der beiden vorgenannten alteren Typen, liegt an dem Stabilitätszuwachs des Oberwasserschiffes bei eintretender Krängung und an dem außerhalb des Rumpfes sehr tief gelagerten Ballast. Man kann hier den Rumpf als eine auf der Oberfläche des Wassers schwimmende Luftblase betrachten, die einmal dem tief an einem plattenförmigen Kiel gelagerten Bleiballast nach unten und den Segeln nach oben als Stützpunkt diente.
Daß dieses Konstruktionsprinzip ebenfalls keine guten Seejachten, wohl aber äußerst schnelle Rennjachten für glattes Wasser ergab, ist wohl ohne jede weitere Beweisführung ersichtlich.
Wir werden später sehen, daß der Löffelbugtyp heute in unseren nationalen Seefahrtkreuzern auch ganz ausgezeichnete Seeboote ergeben kann. Aber die Länge der Überhänge unserer Seefahrtkreuzer ist dann nach Bild 41 bis 46 auch wesentlich mehr beschnitten; ferner sind V-förmige statt U-förmige Spanten für die Überhänge angewandt, wie Bild 44 am ausgeprägtesten zeigt. Während die SegeIIängenboote raffiniert leicht und zart gebaute Bootskörper besaßen, sind unsere neuen Seefahrtkreuzer in den Rumpfverbänden und der Außenbeplankung bedeutend stärker gebaut. Ihr Rumpf ist zudem nicht muldenförmig flach, sondern besitzt ein tief herabgezogenes S-förmiges Hauptspant. Der flache Rumpf der Segellängenjachten schlug in rauhem Wasser beim Kreuzen hart in jede See hinein und dröhnte dabei wie der Resonanzboden einer Geige. Der moderne Seefahrtkreuzer dagegen besitzt nach unseren heutigen Erkenntnissen den für Seegang bestgeformten Bootskörper von äußerst kräftiger Bauart, der im Seegang nicht zu heftig arbeitet. Das kräftige Unterwasserschiff ist zudem gut zum Oberwasserschiff abgestimmt. Eine derart geformte Jacht in der Bauart eines Seefahrtkreuzers, wie etwa der später in Bild 44 dargestellte 40 qm-Seefahrtkreuzer, ist trotz seiner geringen Größe sowohl für die Ost- und Nordsee als auch für das Mittelmeer usw. gleich gut geeignet.
Welch verschiedenen Eindruck machen doch diese beiden Jachten, die beide grundsätzlich dem Löffelbugtyp angehören! Der "Swan" gleitet leicht über das Wasser, die "Saga II" zerteilt es. Das erstere Boot ist dementsprechend ein Glattwasserboot, das andere ein Schwerwetterboot; das erstere liegt nervös und unruhig auf dem Ruder, das andere giert selbst in kappeliger See bei Raumschotkursen wenig oder gar nicht. Die Überhänge der "Saga II" sind stark beschnitten- aus der Erkenntnis heraus, daß bei Dwarssee, bei schräg achterlich oder schräg vorderlich einkommender See die langen, völligen Überhänge nach Art des "Swan" derartige Angriffsfächen besitzen, daß ein solches Schiff leicht außer Kurs geworfen werden kann.
Zusammenfassend läßt sich von dem Einfluß der verschiedenen Meßverfahren sagen, daß einige von ihnen geradezu Ungeheuer gezüchtet haben, wie z. B. die Lineale des "Thames measurcment". Und das kann leider nicht anders sein, da der heiße Wettbewerb in der Rennsegelei die Rennjachten zu wahren Sklaven ihrer Meßformel macht.