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Eine Formel für die See - III WH |
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“Weg vom Klassensystem” Miglitsch: Man kann die Formel ändern und verbessern, muß aber die Klasseneinteilung auf jeden Fall aufgeben. Warum? Würde man z. B. unter anderem den fehlenden Stabilitätsfaktor einführen, sodaß die Bestimmung der Formel, daß nach G. L. 1916 bzw. 1951 gebaut wird, fallengelassen werden kann und alle Yachten startberechtigt wären, gleich wie sie gebaut sind, so würde dies auf praktische Undurchführbarkeit stoßen: Wir geben dabei nicht einmal viel auf! Die großen Seeregatten wurden auch bisher in Gruppen und nicht in Klassen gestartet und müssen für die meisten Sonderpreise ohnehin gerechnet werden. (Von den Teilnehmern z. B. der diesjährigen Kieler Woche, die für die Seeregatten meldeten, waren etwa zwei Drittel (!) keine KR-Klassenboote!) Die England- oder Schweden-Regatten werden nie nach KR gesegelt, geschweige denn etwa ein Atlantik-Rennen.” Fazit des DSV-Formelausschusses: (Stark engagiert zeigten sich in der Diskusion um das Klassenproblem auch die Konstrukteure W. Ohlendorf, K. Oehlmann, E. Lehfeld, F. Marggraff, E. Krasmann und E.G. van de Stadt durch ihre Beiträge in der “Yacht”.)
Auf dem Seglertag 1963 in München wurde die umstrittene Frage der KR-Formel erörtert. Zur Debatte standen ein Antrag des Technischen Ausschusses des DSV auf Änderungen der KR-Formel und ein Antrag des Lübecker Yacht-Clubs, die KR-Formel aufzugeben und durch die damals gültige Fassung der amerikanischen CCA-Formel zu ersetzen. Der Technische Ausschuss wies darauf hin, dass es noch einige Zeit dauern werde, bis eine internationale Formel geschaffen werden könne. Alle vorgeschlagenen Änderungen der KR-Formel zielten darauf ab, diese Formel der CCA-Formel anzugleichen, die die modernste Formel sei, “die es gegenwärtig gebe”. Der Technische Ausschuss wolle eine gerechte Bewertung der vorhandenen Yachten, niemand solle gefördert oder gehemmt werden. Der Vertreter des Lübecker Yacht-Clubs, Dr. Brüggen, setzte sich dagegen dafür ein, die KR-Formel über Bord zu werfen. Er plädierte nachdrücklich für die CCA-Formel: Nach 1963 wurden die alten Klassen abgeschafft und in folgenden Wettfahrtgruppen gesegelt: I 9 KR und darüber
Das Ende für die KR-Formel Zeit kam bald. Vornehmlich durch die internationale Entwicklung. Durch die erste internationale Formel für die Seesegelei, die IOR-Formel. Von deutscher Seite forciert. Wer als Deutscher international segeln wollte, musste nicht nach KR, sondern nach anderen Formeln vermessen lassen, vor allem der RORC-Formel. Und das waren schon einige: Mit der “Germania V”, “Ashanti”, “Wappen von Bremen”, “Windspiel”, “Rubin”, “Ortac”, “Atalanta”, “Athena” und “Diana II” zeigten wieder hervorragende Schiffe Flagge auf allen großen internationalen Veranstaltungen. Eine international einheitliche Vermessung war gefragt. Die Versammlung gründete das sogenannte Bremen Committee und traf sich regelmäßig zu Konsultationen. Ein Jahr später, in London, ging daraus das Offshore Rule Coordinating Committee hervor. Nacheinander traten Dänemark, Finnland, Holland, Frankreich, Italien, Australien, Kanada und Belgien diesem Committee bei, das sich später Offshore Racing Council nannte. Erstens überlegte die IYRU Anfang der 60er Jahre, ob Hochseerennen nicht zur olympischen Disziplin werden sollten. Man forderte den amerikanischen Yachtkonstrukteur Olin Stephens - der neben anderen offiziellen Ämtern auch das eines mU-Beraters innehatte - auf, bei der Vereinheitlichung der beiden unterschiedlichen Formeln auch den Aspekt Olympiade zu berücksichtigen. Zweitens fand 1962 das letzte Rennen der 6-Meter-Klasse um den Eintonner-Cup statt. Jean Peytel, Vorstandsmitglied des für den Eintonner-Pokal verantwortlichen Le Cercle de la Voile de Paris, war der Ansicht, die zuneh-mend schwächer besetzte 6-Meter-Klasse wäre dem One-Ton-Cup nicht länger zuträglich. Er schlug statt dessen eine Serie von Hochsee- und Küstenwettfahrten für Hochseerennyachten der Klasse 22 ft RORC vor. Auf eine Zeitvergütung sollte zukünftig verzichtet werden: Liegen alle gemeldeten Boote in oder unterhalb der zugelassenen Klasse, könnte die Wettfahrt ohne Handicap gesegelt werden. Dann hätte das Boot gewonnen, das als erstes über die Ziellinie fährt. In den Meter-Klassen wurden die Rennen bereits gemäß dieser Regel gesegelt, für eine Hochseewettfahrt war dieser Vorschlag revolutionär. Drittens stand das erfolgreiche New Yorker Unternehmen Sparkman and Stephens im Mittelpunkt der Debatte. Sparkman and Stephens konstruierte sowohl Boote für Eigner in Europa nach der RORC-Formel als auch viele Yachten gemäß der CCA-Formel. Der führende Konstrukteur Olin Stephens war somit als Sachverständiger für beide Formeln prädestiniert.
Der Gedanke, Hochseerennen zur olympischen Disziplin zu machen, wurde rasch fallengelassen. Aber schon die Diskussion an sich war ein Beweis für das allgemeine Interesse an einer internationalen Formel. Die so erfolgreiche Zeit deutscher Seesegelei bei den Tonner-WMs und im Admirals Cup ist nicht mehr Teil der KR-Historie. Die Einführung der IOR-Formel machte die internationalen Veranstaltungen populärer, kurbelte den Wett-bewerb an und löste einen wahren Bauboom an Yachten gemäß der neuen Formel aus. Bereits 1977 gab es weltweit mehr als 10.500 Yachten nach der IOR. Trend: immer mehr “Grand Prix”-Rennmaschinen, die Konstruktion von Allround-Booten wurde vernachlässigt. Die neuen Regeln veränderten langsam, aber sicher nicht nur die Yachtkonstruktionen - hin zu einem sehr breitem Hauptspant, einem eher breiten Achter- und Unterwasserschiff - auch die Art der Wettfahrten änderte sich: Hans-Otto Schümann, Motor der Entwicklung, propagierte fortan Dreieckskurse für die Seerennen auf deutschen Regattabahnen. Seitdem sehen die Programmschwerpunkte der Nordsee-Woche und der Kieler Woche für die Seesegler anders aus. Die besten Mannschaften mit dem neuesten Material segeln dort überwiegend auf Dreiecks- und heute Up-and-down-Kursen - mit ersten ausschließlich auf Regatten konzipierten Konstruktionen.
Häufiger wird die Frage aufgeworfen, warum denn nicht zum Beispiel 7 KR-Yachten mit einheitlichem KLR-Wert auf die Regattabahn geschickt werden. Ich hoffe, dass deutlich geworden ist: Je nachdem, wann eine Yacht vermessen wurde, können zum Beispiel 1957 und 1966 unterschiedliche KR-Werte bei ein und der gleichen Yacht herausgekommen sein. Auch werden Boote im Laufe ihres Lebens ja öfters modifiziert, was sich auf die KR-Werte natürlich ausgewirkt hat. Wenig sinnvoll (und sportlich) ist es also, alle Boote, die unter der Bezeichnung 7 KR laufen, automatisch mit dem gleichen Handicap, dem gleichen KLR-Wert auszustatten. Vertrauen wir der KLR-Formel, dass sie den unterschiedlichen Bootskonstruktionen nach der KR-Formel von 1925 bis zur letzten Version 1966 als einfache und reine Ausgleichsformel gerecht werden kann.
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