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"Roland von Bremen" - Ozeanrennyacht
Text: Rudolf Alexander Steinbrecht, Fotos: Segelkameradschaft "Roland von Bremen" |
Habent sua fata
Aus dem Leben einer Segelyacht "Roland, alter Freund, was hast Du nicht schon alles erlebt!" Ich lieg' im Bugkorb, ein steifer Ost füllt die Segel und dreißig Tonnen stürmen nach Norden als wögen sie nichts. Habent sua fata libelli wenn Bücher schon Schicksale haben, wie dann erst Schiffe... "Roland, seit vierzehn Jahren hältst Du mich in deinem Bann und läßt mich nicht mehr los. Alter Freund, bist anderthalb Jahre älter als ich, aber Alter merkt man dir nicht an. Du bist mir ein Vorbild." Am 20. April 1936 lief die Ozean-Kreuzeryacht Roland von Bremen bei Burmester in Bremen vom Stapel. Wie alles in dieser Zeit, war auch das Datum des Stapellaufs Teil der Inszenierung. Nazi-Deutschland wollte nun auch im Hochsee-Segelsport siegreich glänzen, besonders im Jahr der Olympiade von Berlin. Eine internationale Atlantik-Regatta Bermuda-Cuxhaven war geplant und eine Bremer Yacht sollte dabei sein, sollte siegen. Henry Gruber aus Flensburg war Burmesters Konstrukteur. Er hatte in den frühen dreißiger Jahren bei Sterling Burgess gearbeitet, dem berühmten Konstrukteur der J-Yacht Ranger (und Endeavour?). Die amerikanischen Yachtwerften waren damals die besten der Welt. Schon im Jahr 1935 saß Dr. Franz Perlia von der Segelkameradschaft "Wappen von Bremen" nächtelang mit Gruber zusammen und die beiden tüftelten aus, wie das ideale Boot für diese Regatta beschaffen sein müßte. "Aufgrund der Erwartung, daß die Atlantik-Regatta größtenteils raumschots gesegelt werden würde", sagte Gruber später, "wurde das Unterwasserschiff, besonders was Schwerpunktslagen anbetrifft, abweichend von meinen bisherigen Daten konstruiert. Das ist auch im Vorschiff durch das völlige Überwasserschiff ersichtlich". Daß mit dieser Spezialisierung auch Nachteile verbunden waren, davon später. Klaus auf dem Garten berichtet in seinem Buch über die Burmester Werft sehr anschaulich über Rivalität und Vereinshickhack zwischen den beiden ersten Bremer Segelclubs, die dem Bau vorangingen. Auch die Finanzierung des Vorhabens war nicht einfach, denn es mußten schließlich 60.000 RM beschafft werden. In einer fast an Nötigung grenzenden Weise wurden die Bremer Kaufleute und Industrierepräsentanten zur Kasse gebeten, so daß am 22. Februar 1936 die Kiellegung und keine zwei Monate später bereits der Stapellauf erfolgen konnte. Freilich war die Yacht noch längst nicht in allen Teilen fertig, als der Dampfer Anhalt sie und die alte Aschanti über den Atlantik nach Boston transportierte. Buchstäblich bis zur letzten Minute arbeitete die Mannschaft an dem Schiff, besonders auch während der letzten Trimmfahrten vor Boston und Rhode Island. Dann kam die Feuertaufe: die Bermuda-Regatta von Newport nach Hamilton auf den Bermudas. 50 Yachten sind gemeldet, aber schon am 2. Tag geraten die Boote in schweren Sturm und nur zwölf kommen ohne ernste Havarie im Ziel an. Roland von Bremen schlägt sich tapfer in der stürmischen See, die vom Golfstrom besonders steil aufgetürmt wird. Einmal verliert ein Mann beim Auskleiden die Balance, reißt den Messetisch aus seiner Verankerung und alles kracht auf den unglücklichen Smut, der am Bein schwer verletzt wird. Doch Roland erreicht ohne besondere Schäden das Ziel als erste deutsche Yacht und 8. Boot in der Gesamtwertung. Die wenigen amerikanischen Yachten jedoch, die für das folgende Atlantik-Rennen ihre Teilnahme zugesagt hatten, sind so schwer beschädigt, daß sie zurücktreten müssen. So sind am 4. Juli 1936 nur 9 Boote am Start des großen Rennens, darunter 7 deutsche Yachten; Peter von Danzig, das Schwesterschiff von Roland von Bremen aus der freien Stadt Danzig, zählt damals als Ausländer. Das neunte Boot war die holländische Yacht Zeearand. Also keine sehr internationale Beteiligung, denn Briten und Amerikaner beginnen bereits Nazi-Deutschland zu boykottieren. Der erste große Einsatz. "Roland" bei der Atlantik-Regatta 1936, dem Rennen, für das er gebaut wurde. Und: Er gewann tatsächlich In den ersten Tagen liegen die Boote noch dicht beisammen, und am 4. Tag liegt Roland von Bremen an 5. Stelle. Doch dann kommt schwerer Sturm auf. Am 15. Juli berichtet das Schiffstagebuch des Skippers Dr. Franz Perlia: "Glas sackt, daß bald der Boden herausfällt Um 5 Uhr werden die Böen am stärksten Glas sackt weiter auf 744 <mm Hg>, hat um 10 Uhr den tiefsten Stand erreicht und beginnt schnell zu steigen. Nun wird's dicke werden 12.30 Uhr wird Besan geborgen, um 16 Uhr auch der Sturmklüver Windstärke 10, 11 oder mehr, nicht zu schätzen. Um 18.30 steht eine gewaltige See. Wie die Wellen heranrollen, erkennt man, daß die vordersten Gipfel noch nicht der höchste Teil dieser Berge sind. Nach Luv kaum Ausguck durch die mit Gewalt in die schmerzenden Augen schlagende Gischt. Auch von Lee werden Wassermassen emporgeschleudert". Aber: "Das Schiff hebt sich wie eine Ente, nur die brechenden Kämme stürzen über Deck. Segeln mit 7-9 Strich quer zur See mit 6 -6,5 sm. Unglaublich. Erstaunlich, wie relativ wenig man unten von der Musik oben hört. Wenn wir in den mächtigen Wellentälern liegen, wird das Getöse im Rig ruhiger, um auf dem Kamm umso stärker anzuschwellen... Keinen Augenblick Sorge um Verbände und Aufbauten." Der nachträgliche Positionsvergleich vom 17. Juli zeigt, daß Roland von Bremen in den Sturmtagen sich einen Vorsprung von 250, bzw. 300 Seemeilen vor den beiden nächsten Booten (Brema und Aschanti) errungen hat. Als am 21. Juli das Feuer von Bishops Rock in Sicht kommt, liegt Brema als zweite Yacht 340 Seemeilen zurück. Am 25. Juli 1936 um 20. Uhr übersegelt Roland von Bremen nach 21 Tagen und drei Stunden die Ziellinie bei Feuerschiff Elbe. Erst 33 Stunden später trifft die zweite Yacht, Brema, in Cuxhaven ein. So sieht ein Sieger aus. "Roland von Bremen" wird nach der Atlantik-Regatta 1936 bei der Ankunft in Cuxhaven gefeiert. Es mag ein glücklicher Umstand gewesen sein, daß der Amerikaner Sherman Hoyt mit an Bord von Roland von Bremen war. Er war ein sehr erfahrener Hochsee-Regattasegler und hatte schon sechsmal den Atlantik überquert. In seinen Tagebuchnotizen (zitiert nach Uffa Fox's "Sail and Power") ist er des Lobes voll für die Yacht und ihre Segeleigenschaften, kritisiert aber herb die Qualität des Essens ("unbelievably poor") und die Besessenheit der Mannschaft, ja nicht vom Großkreiskurs abzuweichen, egal ob beim aktuellen Wind eine leichte Kursabweichung wesentlich mehr Fahrt gebracht hätte ("compass course crazy from skipper down"). Im Folgejahr war Roland von Bremen dagegen recht glücklos. In keiner der Regatten von 1937 konnte die Yacht einen vorderen Platz belegen, geschweige denn einen Sieg erringen. Zum ersten Mal zeigten sich die Nachteile von Henry Gruber's Konzept, eine Yacht speziell für raume Winde zu entwerfen, denn wie jeder weiß, kommt der Wind leider auch oft von vorne. Am-Wind-Kurse aber sind nicht Rolands Stärke, besonders bei rauher See. Darum wurde Roland von Bremen schon 1938 von der Segelkameradschaft wieder verkauft, ein neues Boot sollte den Namen übernehmen und das künftige Flaggschiff des Clubs sein. Käufer war der Berliner Segler Berson, der als Jude in die USA emigrieren mußte. Die Übergabe sollte in New York erfolgen, weshalb Roland von Bremen unter Hanns von Lottner er nahm als Navigator bereits an der 1. Atlantik-Überquerung teil nun erneut über den großen Teich segelte, diesmal von Ost nach West. Auch so kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs ist die Besatzung noch international, diesmal segelt der Engländer Kenneth Pattisson, und von Lottner beschreibt diese Überquerung (in 26 Tagen von den Scillies bis Nantucket) sehr lebendig in der YACHT (Heft 27, 1938). Er schließt seinen Bericht wie folgt: "Wir werden niemals wieder, glauben wir alle an Bord, ein so fantastisches Schiff bekommen... es sieht genauso aus wie beim Verlassen Bremens... Besatzung über alles Lob erhaben. Wenn jeder Ozeansegler nur eine halb so gute Besatzung hat, dann kann er sich freuen". Von Lottner segelt in den USA noch mit Roland von Bremen als einziger deutschen Yacht das New Bedford Whaler's Race (3. Platz) und die 1938 Bermuda Regatta (Plazierung unbekannt) bevor er nach Deutschland zurückkehrt. Roland von Bremen heißt ab jetzt Condor und bekommt einen Klüverbaum, um mehr Vorsegelfläche tragen zu können. Nach Ausbruch des Krieges soll er in grauem Tarnanstrich bei der US Coast Guard als Patrouillenboot gedient haben. Hier waren meine Recherchen bisher leider ergebnislos, die graue Farbe wird jedoch in einem Brief des nächsten Eigners erwähnt, bzw. deren mühselige Entfernung. Es mag verwundern, daß ich von dem Roland spreche, denn Schiffe sind meist weiblichen Geschlechts und das ist auch gut so, denn wir wollen sie ja lieben. Roland von Bremen aber ist maskulin, ebenso wie sein Schwesterschiff Peter von Danzig, das bestätigen alle alten und neuen Skipper einmütig. Wer einmal mit Roland gesegelt ist, besonders bei schwerem Wetter, der weiß warum. Er ist ein Freund, auf den man sich verlassen kann. 1945 wird die Yacht von Paul Liskey aus Miami erworben und nach Florida verlegt, aber er kann sich das Schiff nicht lange leisten. Der Bauunternehmer William Trepte aus San Diego, Kalifornien er hatte schon einmal eine Burmesteryacht besessen will die Yacht für die erste Nachkriegs-Hawaii-Regatta erwerben. Man kommt überein, daß Condor von Paul Liskey selbst an die Westküste überführt wird, eine lange Reise über Key West - Havanna - Great Kaiman - den Panamakanal und dann entlang der mexikanischen Küste des Pazifiks hinauf nach San Diego. Die Yacht ist jetzt bereits mit einer Maschine ausgerüstet, ein Gray Benzinmotor, der allerdings häufig Probleme macht; einmal muß er sogar auf hoher See zerlegt und die Ventile neu eingeschliffen werden. Shirley Liskey, des Skipper's Frau, beschreibt diese denkwürdige Reise in einem wunderbaren Bericht im Magazin RUDDER. Die damals unbewohnten Cocos Islands müssen ein wahres Paradies gewesen sein. Man jagt Wildschweine und Schildkröten, um so den sonst sehr kärglichen Speisezettel aufzubessern. Acapulco und Manzanillo werden angelaufen; das waren damals noch verträumte Küstenstädtchen, in denen sich kaum ein Gringo blicken ließ. Sogar die Beschaffung von Benzin stieß gelegentlich auf Schwierigkeiten. Obwohl häufig von Flauten heimgesucht, die kleine Maschine wurde wohl deshalb überfordert, weht es von Zeit zu Zeit kräftig und die See steht hoch. "The waves were from ten to fifteen feet high, and when the granddaddy of them all came along it really caused a calamity. I was at the wheel for my morning watch and the boys were having breakfast. The tremendous force against the rudder took the wheel completely out of my hands , and simultaneously a racket arose from below that made me sure the bottom had fallen off. The way I heard it, Ramsey had been bracing himself with his feet on the high bunk, and when the wave hit he flew into the air, slid across the table and landed in the lee bunk besides Paul, everything on the table going with him. It was not the braking of the rest of our dishes that I minded so much, but all I got to eat that morning was a can of vegetable soup." Nach zweieinhalb Monaten erreichen die fünf Segler schließlich am 29. Mai 1946 ihr Ziel in San Diego, wo sie sehnlich erwartet werden. Mr. Gene Trepte, der Sohn des Käufers (damals 20 Jahre alt) erzählt, daß Condor als erstes ihren alten Namen Roland von Bremen zurückerhielt. Dann wurde das ursprüngliche Rigg wiederhergestellt. Trotzdem verliefen die ersten Regatten wenig zufriedenstellend (am-Wind-Kurse siehe oben) und William Trepte suchte sich ein anderes Schiff für das große Hawaii-Rennen. Der neue Eigner, Howard Keck, war ein reicher Ölmagnat und glaubte, daß die Deutschen das Boot ein wenig zu schnell zusammengeschustert und dabei wohl auch am Material gespart hätten. So ließ er 1947 die Yacht in den Wilmington Boat Works in San Pedro, Calif., vollständig zerlegen und nach dem alten Riß aus bestem neuen Material neu aufbauen. Roland von Bremen erhielt u.a. auch ein neues, im Vergleich zum ursprünglichen höheres, Deckshaus sowie einen offenen Kamin im Salon. Keck soll für das ganze Unterfangen stolze Summe von 150.000 Dollars aufgebracht haben. "Ach Roland, bist du also ein Amerikaner? Bist du nun ein Jahr älter als ich oder gar 10 Jahre jünger? Vielleicht sind nur Dein Kompaß (Cassens & Plath Nr. 1212) und Dein Steuerrad vom alten Schiff".
Nach diesen Jahren voll Wechsel und Neuerungen kommt nun eine ruhige, ja untätige Zeit. Roland von Bremen liegt in Newport Beach Cf., an der Pier, ein festangestellter Skipper lebt auf ihm, gesegelt wird aber höchst selten. Schließlich sagt Vater Keck zu seinem Sohn: "Your job is in the oil business, sell this boat". Roland von Bremen wird abermals verkauft an Herald E. Williams vom San Diego Yacht Club (1960). Er hat Regatta-Ambitionen, denn wieder steht ein Hawaii-Race bevor. Williams rechnet mit Starkwind, er will die Segelfläche verringern und dadurch eine günstigere Vermessungszahl erreichen. Der Besanmast wird entfernt und noch schlimmer auch die obersten 15 Fuß des Großmastes werden gekappt. So geht Roland von Bremen im August 1961 als untertakelte Sloop ins Rennen. Zum ersten Mal überquert Roland den Pazifik, die erwarteten Starkwinde bleiben jedoch aus und Williams muß seinen Frevel bereuen. Immerhin erreicht Roland von Bremen Honolulu als drittes Boot seiner Klasse und sechstes Boot der gesamten Flotte von 40 Booten. Mit dem alten Rigg hätte er gesiegt.
Roland von Bremen lag dann lange in Kiel zum Verkauf, bis ihn 1974 die Segelschule Allendorf als Tourenschiff erwarb. Klaus und Erika Allendorf (heute 78 und 70 Jahre alt) berichten: "Das Schiff war in recht heruntergekommenem Zustand und wir mußten erst einmal eine große Menge Müll abtransportieren, neue Polster nähen und auch am Boot sehr viel reparieren. Überdies legte der Zoll die Yacht an die Kette, weil kein Einfuhrzoll bezahlt worden war. Es dauerte eine ganze Weile bis endlich geklärt werden konnte, daß das Boot als Umzugsgut nicht zollpflichtig war. Der Schwede Sven Wärmé, Segellehrer bei Allendorf, übernahm das Boot bereits ein Jahr später und segelte mit seiner Frau Jutta manchen Törn in der Ostsee (s.a. YACHT 1978, Heft ??). Er besuchte das Boot im letzten Jahr und erzählte uns, wie vor Gotland der Großmast nach einem Bruch des Achterstags über Bord ging. Seitdem führt die Yacht doppelte Achterstage.
"Roland, alter Freund, Du gibst uns so viel und darum sollst auch Du es gut haben bei uns." Ich träume von dem alten Originalrigg mit den geteilten Vorsegeln und dem hohen Großmast. Und ich träume von vielen, vielen Reisen "over the seven seas" |
Anmerkung: Dieser Artikel von Rudolf Alexander Steinbrecht erschien in gekürzter Fassung auch in der "Yacht" 20/2004
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Mehrere Artikel aus der "Yacht" über "Roland von Bremen" (Siehe auch Rubrik "Zeitschriften" im "YachtsportArchiv") Age Nissen über seine Fahrten mit "Roland" Website der Segelkameradschaft "Roland von Bremen" |
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