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35 Jahre deutscher Segeljachtbau - Teil 2

Von Artur Tiller, Charlottenburg.

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Teil 2

Die Meßverfahren selbst lassen sich in drei verschiedene Klassen einteilen, die dementsprechend ganz verschiedene Wirkungen äußern:
1. in Meßverfahren, die die Form der Jachten beeinflussen, wie z. B. das Segellängen-Meßverfahren. die R-Formel usw.;
2. die Grenzmeßverfahren, die die Höchst- und Mindestmaße des Rumpfes, die Verdrängung und die Segelfläche festlegen, wie z. B. die Meßverfahren der 30 qm-Rennklasse, der Binnenkreuzer, der nationalen Seefahrtkreuzer usw.;
3. das Einheitstypen-Meßverfahren.

Das bei weitem größte Vabanquespiel bedeutet die Aufstellung eines neuen .Meßverfahrens der ersten Gruppe. Der später gezeigte Riß der 5 m-Rennjacht „Vivat sequens" wird Ihnen beweisen, daß selbst ein so genialer Konstrukteur wie Max Oertz die Auswirkung der einzelnen Faktoren der .R-FormeI, besonders die Auswirkung der Belastung durch den Faktor 3 d, nicht gleich erkannt hatte.

Die zweite Gruppe hat bei ihrer Schaffung eine Reihe bewährter Beispiele vor Augen gehabt, nach denen dann das Grenzmeßveriahren aufgestellt wurde.

Die letzte Gruppe nimmt nun ein einziges gelungenes Beispiel als Muster an und erhebt dieses zur Doktrin. Es ist die einfachste, aber gefährlichste Methode, da sie auf die Dauer ihrer Geltung jeden Fortschritt glatt unterbindet. Nehmen wir einmal an, daß plötzlich sämtliche Meßverfahren der beiden ersten Gruppen in Deutschland abgeschafft werden und an ihre Stelle ausschließlich Einheitsklassen auf eine Geltungsdauer von etwa zehn Jahren gesetzt würden, so würde mit einem Schlage jede konstruktive Tätigkeit auf dem Gebiet des Jachtbaues auf die Dauer von zehn Jahren aufhören und auf ebenso lange Zeit jeder Fortschritt auf dem Gebiet der Bauausführung. Deutschland würde also während dieser Zeit um zehn Jahre im Jachtbau zurückgeworfen. Einheitsklassen dürfen daher nur mit Vorsicht in beschränkter Zahl in die Welt gesetzt werden und auch nur in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Ihr einziger und größter Vorzug besteht in ihrem "billigen" Anschaffungspreis; ein Vorteil, der stets die Herstellung mehrerer völlig gleicher Jachten, über gleiche Mallen gebaut, begleitet.

Einen weiteren Nachteil der Einheitsklassenjachten - jedenfalls einen sportlichen -- kann man in der Tatsache sehen, daß ein einziger überragender Steuermann eine ganze Einheitsklasse zum Veröden bringen kann, da er regelmäßig auf den ersten Preis Beschlag legt.

Andererseits ist es außer der Billigkeit ja eben diese absolute Gleichheit der einzelnen Jachten einer Einheitsklasse, die jedem Bewerber ein gleichwertiges Sportinstrument in die Hand geben soll, so daß nur das sportliche Können der Steuerleute den Ausschlag gibt.

An den in Bild 9 bis 13 wiedergegebenen typischen Vertretern der letzten Jahrhundertwende sahen wir als besonderes Merkmal, daß sie das „Dilemma"-Prinzip in gemäßigter, aber doch unverkennbarer Weise ausgebaut haben. Der Klipperbug hatte dem Löffelbug die Herrschaft abgetreten. Die segeltragende Kraft wurde nicht mehr durch eine große Verdrängung, sondern durch einen flachen, formstabilen Rumpf erzeugt. Der Ballast ist an Stahlblechplatten oder schmalen, brettartigen Flossen tief unter dem Rumpf gelagert. Dir Bezeichnung „auf Kiel gebaut" darf nicht einmal die in Bild 13 gezeigt Kreuzerjacht „Rhe" für sich in Anspruch nehmen; bezeichnender für sie ist „auf Flosse gebaut". Sie alle waren mehr oder minder "Glattwasserboote", die in leichter und mittlerer Brise Vorzügliches leisteten. Es waren aber keine erstrebenswerten Seeboote, da die in dem Segellängen-Meßverfahren enthaltene Umfangsbesteuerung der Differenz zwischen Ketten-und Schmiegenumfang mit 1 d nicht ausreichte, flache, auf schmaler Flosse gebaute Bootsformen auszumerzen. Kennzeichen dieser Jachten waren eine für ihre Hauptabmessungen zu geringe Verdrängung, mangelnde Seetüchtigkeit und geringe Wohnlichkeit, die allerdings letzten Endes für Rennjachten nicht ausschlaggebend sein sollte.

Trotzdem kann man rückblickend sagen, daß die im Entwurf und im Bau des Jachtrumpfes mit dem Jahre 1891 schlagartig einsetzenden Fortschritte bereits um 1900 ganz erhebliche waren. Fünfzig Jahre Jachtbau vordem hatten auch nicht annähernd eine solche Umwälzung hervorbringen können. Hinzu kommt noch, daß uns die letzte Jahrhundertwende die raffiniertesten Bauausführungen zur Erzielung leichtester Bootskörper brachte. In USA. lehrte uns Herreshoff den von ihm ausschließlich bevorzugten Bau in Doppelkraveel-Ausführung und Max Oertz in Deutschland den noch leichteren Nahtspantenbau (sowohl auf eingebogenen Spanten mit hochkant stehenden Nahtleisten, als auch mit gewachsenen bzw. unterlegten eingebogenen Spanten auf Nahtstreifen). Die gewöhnliche Kraveel-beplankung wurde verfeinert durch Anwendung sehr dünner, schmaler Außenhautplanken in Verbindung mit sehr dicht stehenden Spanten von geringem Querschnitt. Besonders die Nahtspanten-Bauweise ergab fabelhaft leichte Bootskörper von ausgezeichneter Längsfestigkeit und großer Elastizität. Noch heute sieht man (nach 30 Jahren) gelegentlich auf deutschen Gewassern vereinzelte Vertreter des SegelIängen-Meßverfahrens, denen scheinbar die Zeit und der Gebrauch trotz ihrer zarten Bauausführung nichts anhaben konnten.

So sehr nun auch diese bemerkenswerten Fortschritte in Form und Bauweise des Rumpfes um die Jahrhundertwende anerkannt werden müssen, so lassen sich doch gleiche Fortschritte in der Besegelung, in der Anordnung und Verteilung der Segelfläche sowie ihrer Ausführung nicht feststellen.

Ein Blick auf die Segelrisse der Jachten auf den Bildern 8 bis 13 zeigt uns die altgewohnte niedrige Anordnung und Verteilung der Untersegel mit dementsprechend ebenfalls sehr niedrig liegendem Segelsystem-Schwerpunkt; eine ähnliche Anordnung der Segel war bereits 50 Jahre vor der Jahrhundertwende im Jachtbau gebräuchlich. Das Kennzeichen des großen Kutters und der kleinen Sloop war gleicherweise ein sehr niedrig gehaltenes Großsegel und ein Vorsegeldreieck, dessen Basis oft nur gleich der Höhe war, niemals aber weniger als die Hälfte dieser Höhe betrug. Große Kutter hatten also meistens ein Vorliek des Großsegels, dessen Lange selten mehr als zwei Drittel der Großbaumlange, oft aber nur wenig mehr als dessen Hälfte betrug. Heute hat die Praxis uns gelehrt, daß derart langgestreckte, niedrige Segelflächen aerodynamisch ungünstig wirken. Wir wissen heute, daß im Gegenteil schmale, hohe Segel mit langer, schneidender Vorkante bei gleichem Flächeninhalt ganz erheblich wirksamer sind (vgl. Bild 44, „Swastika").

Aber um 1900 war man über diesen ausschlaggebenden Punkt der Aerodynamik noch völlig im unklaren. Man suchte im Gegenteil die Jachten von damals durch Aufbürdung einer möglichst großen Segelfläche schneller zu machen. Das beweisen uns am besten die bisher gezeigten Segelrisse. Nach unserer jetzigen Erkenntnis waren diese Jachten also stark übertakelt. Sie segelten infolgedessen im Seegang naß und waren mit zunehmender Brise bald zum Reffen der Segel gezwungen. Die zu großen Rundhölzer, besonders der weit über das Heck herausragende Baum machten sich bei schwerem Wetter unangenehm bemerkbar, wenn die Baumnock auf der Leeseite die Wellen durchpflügte und dadurch den Bug der Jacht nach Lee herumriß. Ich möchte mir anschließend an diesen Punkt nicht versagen. Ihnen in Bild 14 ein wirkliches Extrem einer solchen übertakelten Rennjacht jener Zeit vorzuführen. ,,Minota", 1900 erbaut, entstammt dem Reißbrett eines kanadischen Jachtkonstrukteurs und galt als ein sehr erfolgreiches Leichtwetterboot. Hier betrug die Länge der Basis der Unterscgel das Doppelte der Länge in der Wasserlinie. Es ist als sicher anzunehmen, daß die damaligen extrem übertakelten Jachten ihren Besitzern das Segeln bei viet Wind nicht zu einem sportlichen Vergnügen gemacht haben. Nichts veranschaulicht aber das Anwachsen der Segelfläche deutlicher, als die in Bild 15 gezeigte Gegenüberstellung der im Jahre 1901 erbauten amerikanischen Rennjachten "Independence" und des in der Wasserlinie fast ebenso langen, 15 Jahre früher erbauten eng!ischen Rennkutters ,,GaIathea", deren Linienriß große Übereinstimmung mit der in Bild 1 gezeigten .,Genesta" aufweist.

Ich glaube, daß zu dieser Zeichnung jeder weitere Kommentar überflüssig ist. Die riesige Segelfläche der "Independence"' bei nur unwesentlich (60 cm) längerer Wasserlinie, ihr extrem flacher, muldenförmiger Rumpf mit dem gewaltigen Überwasserschiff (Länge der Überhänge = 52% der Wasserlinie), die schmale tiefe Flosse mit dem entsprechend tief gelagerten Bleiballast und der dadurch erzielten tiefen Lage des Systemschwerpunktes sprechen für die in 15 Jahren gemachten Fortschritte des Rennjachtbaues.

Die Form der Wasserlinie der „Independence" war nur in aufrechter Schwimmlage prahmartig stumpf, fast ein Rechteck mit abgerundeten Ecken. Bei eintretender Krängung dagegen wurde die Form des Unterwasserschiffes günstiger, je mehr die Krängung zunahm. Das Eintauchen der langen, völligen Bootsenden erhöhte zudem die Stabilität erheblich. Diese langen Überhänge besaßen ferner den Vorteil, daß man die vertikalen Schnitte bzw. die Senten trotz der von der Meßformel eng begrenzten Wasserlinienlänge so schlank ausziehen konnte, daß sie einen ebenso günstigen Verlauf zeigten wie diese des alten, wesentlich schmaleren englischen Kutters mit seiner in der aufrechten Lage scharfen Wasserlinie. So sehr aber auch die „Independence" einen Fortschritt in renntechnischer Beziehung gegenüber dem 15 Jahre älteren Boot darslellt, so kann uns doch ihre Eleganz nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie ein außerordentlich kostspieliges Glattwasserboot war, für das erheblicher Seegang eine übermäßige Beanspruchung der Rumpfverbände bedeutete.

Merkwürdig war ferner, daß die deutschen Jachtkonsfrukteure damaliger Zeit sich selbst dann nicht von dem Einfluß des SegelIängen-Meßverfahrens frei machen konnlen. wenn es galt, eine völlig klassenlose, keinem Meßzwang unterworfene Kreuzerjach! zu entwerfen. Auch diese Jachten wiesen mit wenigen Ausnahmen ähnliche Rumpfformen auf' wie die Segellängenrennjachten und hatten eine verhältnismäßig ebenso leichte Verdrängung. Betrachtet man die Kreuzerjachten jener Zeit, so kann man sich mit Recht nicht des Gedankens erwehren, daß die Konstrukteure eine Scheu vor der Anwendung einer großen Verdrängung hatten. Heute wissen wir, daß eine große Verdrängung bei geeigneter Rumpfform - wie wir später sehen werden - durchaus keine langsamen Boote zur Folge zu haben braucht.

Ein Umschwung in der Konstruktion der Rennjacht setzte bereits im Jahre 1907 ein. Man hatte einsehen gelernt, daß das Segellängen-Meßverfahren die kleine Verdrängung nicht unterbinden konnte. Der Wulstkieler war nur durch den Flossenkieler mit möglichst leichtem Bootskörper und großer Segelfläche abgelöst worden. Deutschland trat daher im Jahre 1906 der I. Y. R. C. U. bei; diese neue, ebenfalls lineare Meßformel lautete:

und war ab 1907 gültig. Sie war dazu angetan, durch die dreifache Besteuerung des d völligere Hauptspantformen und eine größere Verdrängung zu gewährleisten. In dieser Formel bedeutete L = die Länge in der Wasserlinie, wozu noch die Umfangsdifferenzen am vorderen und hinteren Ende der Wasserlinie hinzugezählt wurden; B = die größte Breite; G = der Umfang am Hauptspant. gemessen von Oberkante Deck der einen Seite um den Kiel bis Oberkante Deck der anderen Seite; d = die Differenz zwischen Schmiegen- und Kettenumfang am Hauptspant und F den vierten Teil der Summe aus dem doppelten Freibord am Hauptspant und dem Freibord am hinteren bzw. vorderen Ende der Konstruktionswasserlinie.

Diese internationale .Meßformel, die sogenannte R-Formel, war von großem Einfluß auf die Form der Jachten. Das war zwar in den ersten Jahren noch nicht so zu bemerken, denn die Konstrukteure wußten die einzelnen Faktoren dieser Formel noch nicht gleich richtig gegeneinander abzuwägen. Die in Bild 16 dargestellte ,,Vivat Sequens", eine der ersten im Jahre 1908 nach dem neuen internationalen Meßverfahren konstruierten Jachten, weist noch eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den verflossenen Segellängenjachten auf. Das geht am besten aus der geringen Verdrängung, der kurzen Wasserlinie, dem stark zusammengezogenen Lateralplan und dem mächtigen Oberwasserschiff hervor. Wir sehen hier noch einen Flossen-kieler mil unverkennbar muldenförmigem Rumpf und untergebolzter Flosse.

Aber schon wenige Jahre spater entstanden unter dieser Formel Jachten, bei denen sich die dreifache Besteuerung von d sowie die hohe Besteuerung von B bereits sehr stark bemerkbar machte. Bild 17 zeigt die im Jahre 1910 gebaute 8 m-Rennjacht „Wildente", die bei fast 13 m Decklange nur 2,40 m größte Breite aufwies (L : B = 6 : l) und dabei fast 6,3 t verdrängte.

Diese dreifache Besteuerung von d führte allmählich zu sehr tief herabgezogenen, wenig formstabilen Hauptspantformen. Ja, fast dreieckige Hauptspantformen ohne Kimm sind mir aus jener Zeit noch im Gedächtnis. Ich brauche nur an die im Jahre 1913 von der Heidtmannschen Werft in Hamburg erbaute 6 m-Rennjacht „Rara Avis" zu erinnern. Dabei besaßen diese Rennjachten eine unverhältnismäßig große Segelfläche. Ihre absolute Schnelligkeit ließ aber trotz dieser extremen Konstruktion sehr zu wünschen übrig. Die Jachten der kleinen Klassen legten sich auch bei leichter Brise, am Winde segelnd, stark weg und waren im Seegang infolge ihres schmalen, dabei unverhältnismäßig stark geballasteten Rumpfes naß und unangenehm zu segeln. Die Rennjachten der Jahre 1910 bis 1914 waren mit ihren schmalen, tiefen und schwer geballasteten Rümpfen leider das gerade Gegenteil der Erzeugnisse, die der deutsche Jachtbau in den Jahren 1900 bis 1908 hervorgebracht hatte.

Es ist ganz unmöglich, sich aus dem deutschen Jachtbau der damaligen Zeit die Einwirkung der internationalen R-Formel herauszudenken. Aber heute, nachdem die Meinungen geklärt sind, können wir sagen, daß die Rennjachten, besonders in den kleineren Klassen von 10 m abwärts, für deutsche Binnen- und Küstengewässer ungeeignet waren und daher dem deutschen Jachtbau sehr teuer zu stehen gekommen sind. Nicht nur, daß diese BIeiberge einen großen Anschaffungspreis erforderten, sie waren auch aus leicht ersichtlichen Gründen für unsere Binnengewässer ebenso ungeeignet wie für Küstengewässer. Das hielt manchen Sportsmann überhaupt von der Bestellung einer Rennjacht ab, deren einziger, nicht für alle Eigner ausschlaggebender Vorteil der war, daß sie eine ausgedehnte internationale Betätigung in der Rennsegelei erlaubte.

Nur in den großen Klassen wirkte die R-Formel sich nicht ganz so ungünstig aus. Die im Jahre 1913 erbaute 19 m-Rennjacht „Ellinor" (Bild 18) zeigt gute Schiffsformen und eine ausgeprägte Kimm. Auch ihre Breite (L : B = 5,75 : l) war nicht so extrem schmal. Ihre Segelfläche war allerdings wie die aller großen Rennjachten nach heutigen Begriffen zu groß. Für ein gutes Seeboot war "Ellinor" also infolge ihrer großen Besegelung und der langen Überhänge, die im Hinterschiff ausgesprochen U-förmige, im Vorschiff sackartige Spantformen aufwiesen, nicht sonderlich gut geeignet. Trotzdem stellt sie und die gleich große „Cecilie" die schönsten Produkte deutscher Jachtbaukunst des Jahres 1913/1914 dar.

Und dann kam der Krieg, der den deutschen Jachtbau sehr bald völlig zum Erliegen brachte. In den Jahren 1914 bis 1918 galt es. sich einer übermächtigen Feindesschar zu erwehren, und da mußte der Jachtsport zurückstehen. Es sind dann auch in den vier Kriegsjahren keine nennenswerten Neubauten für deutsche Rechnung entstanden. Auch aus der Nachkriegs-und Inflationszeit (bis zum November 1923) hat der deutsche Jachtbau wenig Vorteile in Bezug auf Aufträge bezogen, die seine Weiterentwicklung zur Folge gehabt hätten. Rennjachten wurden nach dem internationalen Meßverfahren nach dem Jahre 1918 auf deutschen Werften nicht mehr erbaut, und das war auch, wie bereits ausgeführt, keineswegs zu bedauern.

Im Jahre 1918 waren dann noch außer den internationalen Rennklassen drei nationale Rennklassen vorhanden: Die Sonderklasse, die 30 qm-Rennklasse und die 15 qm-RennjollenkIasse.

In der Sonderklasse hatte der deutsche Jachtbau damals für den Herrensegler ein vorbildliches Rennboot geschaffen, das sich gleichzeitig als vorzügliches Nachmittagsboot verwenden ließ. Aber nur so lange, wie die Klasse noch nicht auskonstruiert war, also die Boote normale Formen besaßen. Einen der ersten Vertreter dieser Klassen sahen wir bereits in Bild 9 dargestellt, die im Jahre 1899/1900 erbaute ,,Wannsee". Eine sechs Jahre später erbaute "Wannsee VI" zeigt uns nun Bild 19. Das neue Boot ist etwas schmaler, aber um 20 cm tiefer und besitzt eine wesentlich extremere Rumpfform als die „Wannsee I". Das drückt sich besonders in der härteren Kimm, dem flacheren Boden, den U-förmigeren Vor- und Achterschiffspanten und der besonders langen, prahmförmigen Überhänge aus. Aber auch diese 1906 erbaute ,,Wannsee" wird darin noch ganz wesentlich von der im Jahre 1911 erbauten, in Bild 20 dargestellten Sonderklassenjacht "Stipper IV" übertroffen, deren Länge über alles bereits die 12 m-Grenze überschritt. Und doch ist der prahmartige Rumpf des "Stipper" mit seinen riesenhaften Überhangen nur eine Folge der logisch fortgeschrittenen Ausnutzung der Sonderklassen-Meßformel gewesen.

Diese lautete: L+B+D dürfen 9,75 m nicht überschreiten, die vermessene Segelfläche 51,00 qm nicht übersteigen, während die Mindestverdrängung 1830 kg betrug. In dieser Formel bedeutete L = die Lange in der Schwimmebene, B = die größte Breite und D = den größten Tiefgang. Es stellte sich sehr bald in der Praxis heraus, daß die größte Breite vorteilhaft zwischen 1,80 und 2 m, der größte Tiefgang zwischen 1,45 m und 1,52 m lag, während die Länge in der Wasserlinie 6,05 m nicht wesentlich unterschreiten durfte. Um nun die segeltragende Kraft und damit die Geschwindigkeit zu erhöhen, wurden die langen, bei eintretender Kränkung zum Tragen kommenden Überhänge zur Erhöhung der Stabilität mit herangezogen. Gleichzeitig sicherten gerade diese extremen Überhänge einen günstigen Verlauf der Schnitte und Senten. Ohne sie wäre nämlich der Wasserverlauf am prahmartigen Unterwasserschiff wesentlich ungünstiger gewesen. Allerdings, gute AIlwetterhoote waren diese letzten, extremen Vertreter der Sonderklasse mit ihren mächtig angewachsenen Bootskörpern gewiß nicht. Ebenso behagte ihnen Seegang wenig; dagegen liefen sie auf geschützten Binnengewässern bei viel Wind ganz hervorragende Zeiten.

Auch Sonderklassen sind nach 1918 wenige gebaut worden. Ein Blick besonders auf die letzten beiden Risse zeigt uns Jachten mit überragender Formstabilität, die durch einen riesigen, flachen Bootskörper von geringem Gewicht gewonnen wurde, während die Unkenterbarkeit durch wenigen, aber sehr lief gelagerten Bleiballast erzielt wurde. Die in aufrechter Schwimmlage sehr kurze Wasserlinie des „Stipper" wurde bereits bei Krängungen von 26 Grad von 6,42 m auf 8,64 m verlängert. Das ergab einen für den Formwiderstand günstigen Sentenverlauf.

Aber gerade an diesen extrem langen Sonderklassen-Jachten (die Lange über Deck wurde später auf 12,00 m beschränkt) mit ihren leicht gebauten, in Seegang hart beanspruchten Bootskörpern lernte der deutsche Jachtbau die Kunst der günstigsten und sparsamsten Materialverteilung. Vordem hatte man große Festigkeit des Rumpfes meistens nur durch klobige Materialabmessungen zu erzielen gesucht.

Die 30 qm-Rennklasse war als Ersatz für die etwas kostspieligen Sonderklassenboote gedacht. Um das bei der Sonderklasse entstandene extreme Auswachsen der Bootsform ins Rennmäßige zu vermeiden, wurden bei dieser Klasse von Beginn an einschränkende Vermessungsvorschriften erlassen, die sich leider später als eine wesentliche Hinderung in der Entwicklung der Klasse erwiesen haben.

Die 30 qm-Klasse ist heute ebenso wie die vorhin genannte Sonderklasse praktisch als ausgebaut anzusehen, da es in den letzten fünf bis zehn Jahren auch hier nicht gelungen ist, neue Fahrzeuge zu schaffen, die wesentlich besser oder schneller wären als der Typ von 1925.

Der der Entwicklung der 30 qm-Rennklassen am hinderlichsten gewesene Faktor der Meßformel lag in Festlegung des Verhältnisses der größten Länge zur größten Breite, das höchstens 4,5 : l betragen durfte. Diese heute von uns als grundlos einengend erkannte Bestimmung schloß lange, schlanke Boote etwa mich dem Prinzip der heutigen Schärenkreuzer aus. Aber die Wahrheit des Satzes, „daß Länge läuft", ließ sich auch durch ein solches diktatorisches Gesetz nicht umbiegen.

Bild 21 zeigt uns den alten Dreißiger ,.Emmy", 1918 entworfen, wahrend Bild 22 den letzten vermessenen Dreißiger, im Frühjahr 1934 erbaut, darstellt. Das neue Schiff ist zweifellos mächtiger im Rumpf und das bessere Schwerwetterbool. Während aber beim älteren Boot versucht wurde, die von der Meßformel gestatteten längsten Überhänge anzuwenden, so zeigt der neue Entwurf das Bestreben, die größte zulässige Länge in der Wasserlinie auszunutzen (Verhältnis der Länge in der Wasserlinie zur größten Länge = 1,4 bis 1,6 : 1). Hier hatte die Praxis uns gelehrt, daß der Reibungswiderstand einer großen eingetauchten Außenhaut eine kleinere Rolle spielt als der Formwiderstand. Die „Emmy" besitzt nur wenig mehr als die gestattete Mindestverdrängung ihrer Klasse, während das neueste Boot fast das 1,5 fache wiegt.

Selbstredend ist auch die alte Steilgaffeltakelage der „Emmy" nicht so wirksam wie die flächengleiche, aber wesentlich höhere Hochtakelung der neuen Jacht. Aber diese Dreißiger waren doch gute Nachmittagsboote und zudem in den Jahren 1923/30 wohl Deutschlands beliebteste Renn-klasse. Da sie jetzt Altersklasse geworden sind, gilt es, gleichwertigen Ersatz zu schaffen.

In den deutschen Schwertrennklassen hat der deutsche Jachtbau ebenfalls ganz Außerordentliches geschaffen. In keinem anderen Lande der Welt hat der Jollenbau derartige Fortschritte gemacht wie bei uns. Aber nicht nur der deutsche Jollenbau, auch der Jollenkreuzerbau kann als vorbildlich gelten. Gewiß, unsere Jollen von 1900 besaßen in Nachahmung der Formgebung großer Jachten noch beträchtliche Überhänge. Aber bereits in den Jahren 1912/1914 verkürzte man die Überhange in der richtigen Erkenntnis, daß sie für Jollen schädlich und zwecklos sind, da bei der dadurch erforderlichen geringen Wasserlinienlänge jede Platzveränderung der Mannschaft zu nachteiligen Trimmänderungen führt. Typisch für die Jollenform der Jahre 1900 bis 1910 waren außer den erwähnten Überhängen die U-förmigen Spanten. Das U-Spant gibt zwar gute Fonnstabilität, aber die verhältnismäßig kleine Rennjolle braucht diese Formstabilität in so ausgeprägtem Maße gar nicht. Die zu Luv ausliegende Besatzung gibt selbst einer ranken Jolle genügende Stabilität. Andererseits aber geben U-förmige Spanten und eine demzufolge kurze Schwimmebene sehr stumpfe, für die Geschwindigkeit wenig günstige Wasserlinien, während eine lange Wasserlinie und V-förmige Spanten im Jollenbau erfahrungsgemäß bessere Erfolge gewährleisten.

Nachdem diese Tatsache einmal erkannt worden ist, verschwanden die Überhänge der Jolle bis auf den notwendigen kurzen Überhang des Spiegels vollständig; an Stelle des U-förmigen Hauptspantes trat das weniger formstabile, aber schnellere V-Spant (etwa um 1927).

Auch die 22 qm-Binnenjollenklasse isl heute bereits zu einem reinen Renninstrument geworden. Nur sind in dieser Jollenklasse leider durch Vermessungsvorschriften die Rumpfabmessungen beschränkt worden.

Es würde zu weit fuhren, die sämtlichen Jollenklassen, die der deutsche Jachtbau in jahrzehntelanger Arbeit nach deutschem Meßverfahren emporgezüchtet hat, hier ausführlich in Wort und ßild wiederzugeben.
Ich verweise deshalb auf das einschlägige, sehr reichhaltige Schrifttum.

Für den Küstensegler wurde vornehmlich die 30 qm-Küstenjolle geschaffen, deren Meßformel L + B = 9 m lautet. Man kann aber von ihr wohl sagen, daß sie recht ungünstig in Bezug auf Geschwindigkeit, Handigkeit und Preis ausfiel, so daß sie sich nie größerer Beliebtheit erfreuen konnte. Bild 24 zeigt einen der besten Vorkriegs-Vertreter (die 1914 erbaute ,,Rautendelein") der nationalen Küstenjollen. Der größte Tiefgang der Kielboote betrug 80 cm und der Schwertboote ohne Schwert 70 cm. Wie nun der deutsche Konstrukteur eine ähnliche Küstenjolle völlig frei von jedem Meßverfahren entwickelt hat, zeigt Bild 25: diese Küstenjolle besitzt trotz ihres Schwertes beträchtliches Totholz; L : R ist relativ sehr klein. Der Sprung ist ausreichend, die Seitenhöhe ebenfalls, und so hat sich dieser Typ nicht nur auf deutschen Küstengewässern, sondern auch im Ausland bewährt. Die hier gewählte gemäßigte V-Spantform ist selbst für solche Küstenjollen angewandt worden, die von jedem Meßverfahren unabhängig waren. Aber gerade Jollen dieser Bauart und Spantform haben unzweifelhaft den Beweis erbracht, daß sie in bezug auf Seetüchtigkeit und Schnelligkeit nicht zu übertreffen sind.

In den nationalen Kreuzerklassen hat der deutsche Jachtbau teilweise Vorbildliches für unsere Binnengewässer geschaffen. Schon im Laufe weniger Jahre bildeten sich in diesen Kreuzerklassen ganz vorzügliche Fahrzeuge heraus, die auch auf der Rennbahn Hervorragendes leisteten. Besonders die Vertreter der 1910 geschaffenen 45 qm-Klasse können als gelungenster Kompromiß zwischen Rennboot und Binnenkreuzer gelten. Nach Bild 26 ist das Hauptmerkmal des Fünfundvierzigers eine geringe Verdrängung bei verhältnismäßig großen Hauptabmessungen. Wir finden also auch hier wieder das Prinzip der „Dilemma" von 1891: den muldenförmig flachen Rumpf, nur variiert mit untergebolzter Holzflosse, an deren Unterkante der hier plattenförmig gestaltete Bleikiel geholzt ist. Gerade diese beiden Hauptmerkmale: muldenförmiger Rumpf mit verhältnismäßig großen Abmessungen in Verbindung mit einer kleinen Verdrängung, weisen auf den Zweck des Fünfundvierzigers hin. Sie sind reine Binnenboote, die bewußt hierfür und nicht für die See entworfen sind.

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den Fünfunddreißigern und Fünfundsiebzigern. Es ist aber auch in den nationalen Kreuzerklassen recht bald zur Auskonstruktion gekommen. Wenn nun die nationalen Binnenkreuzer auch heute noch so beliebte Boote sind, so liegt es nicht nur daran, daß sie gleicherweise gute Renn- und Kreuzereigenschaften haben, sondern daß sie im Gegensatz zu den früheren Rennjachten sehr preiswert in der Beschaffung sind und eine genügend lange Lebensdauer haben. Man kann von ihnen sagen, daß Geschwindigkeit und Wohnlichkeit gering bezahlt werden; im Gegensatz zu den internationalen Rennjachten, bei denen diese beide Eigenscbaiien überzahlt wurden.

Trotzdem die Meßformel in den nationalen Binnenklassen Kielschwertjachten gestatteten, sind deren nur sehr wenige entstanden, da sich diese den reinen Kielbooten gegenüber auf der Regattabahn stets unterlegen erwiesen, Bild 27 zeigte uns einen derartigen 35 qm-Kielschwertkreuzer von ausgezeichneter Formstabilität. Da sich bei einem Rumpf tiefgang von 75 cm der BleihaIIast noch genügend tief anordnen ließ, besitzt auch dieses Boot noch die für eine Kreuzerjacht unerläßlicbe Eigenschaft der Unkenterbarkeit.

Die nationalen Binnenkreuzer wurden nun zu Beginn dieses Jahres ebenso wie die bereits erwähnte 30 qm - Rennklasse in die Altersklassen versetzt. Es ist uns aber klar, daß wir für beide wieder 'Ersatz schaffen müssen, falls keine fühlbare Lücke im deutschen Segelsport entstehen soll.

Ein ganz wunderbarer Jachttyp ist der Schärenkreuzer. Trotzdem seine Wiege nich! in Deutschland, sondern in Schweden gestanden hat, hat der deutsche Jachtbau - Gustav Esllander auf der Papst-werft, Berlin - doch an seiner Entwicklung mit geschaffen. Allerdings ist die Bezeichnung Schärenkreuzer insofern irreführend, als es sich hier um Rennjachten, nicht um Kreuzer handelt. In Deutschland wurden die Schärenkreuzer kurz nach dem Kriege eingeführt (die 40 qm-Klasse), um mit Skandinavien wieder internationale Beziehungen aufzunehmen.

Die auch heute noch von unseren ausgesprochenen Rennseglern bevorzugten 22 und 30qm-Schärenkreuzerklassen haben nun absolut und relativ schnelle Boote ergeben; besonders bei viel Wind. Sie haben femer den unbestreitbaren Vorzug außerordentlicher Eleganz in der Linienführung. Diesen unbestrittenen Vorzügen steht allerdings der Nachteil hoher Baukosten gegenüber, und da die Wohnlichkeitsvorschriften selbst die äußerste Grenze bescheidenster Forderungen nicht erreichen, so besitzen sie nur die Rudimente einer Kajüte und eine dementsprechend unzulängliche Inneneinrichtung. Und wenn nun trotzdem in Deutschland die Schärenkreuzer von den Rennseglern so bevorzugt werden, so liegt das eben an dem äußerlich so bestrickenden, schnittigen Anblick dieser schnellen Boote.

Wie ich schon in meinem Vortrag von 1931 angeführt habe, waren es gerade die Schärenkreuzer mit ihrer großen Reibungsfläche der eingetauchten Außenhaut, die den im Jahre 1902 von Max Oertz aufgestellten Grundsatz: daß der Reibungswiderstand den Formwiderstand im Jachtbau stark überwiege, zu Fall gebracht haben. (Segelfläche ist nur doppelt so groß als die Reibungsfläche des Rumpfes.)

Z. B. ist der 40 qm-Schärenkreuzer nur bei ganz leichter Brise dem in der Wasserlinie erheblich kürzeren nationalen Fünrundvierziger unterlegen. Bei zunehmender Brise (von etwa 5 bis 6 m/sek an) ist der um 5 qm geringer besegelte, im Gewicht und der eingetauchten Reibungsfläche weit größere 40 qm-Schärenkreuzer überlegen. Bild 28b und c zeigt uns einen modernen 30 qm-Schärenkreuzer. Trotzdem die Schärenkreuzer ebenfalls nahe daran sind, auskonstruiert zu sein, so werden sie hoffentlich nie ganz von Deutschlands Gewässern verschwinden.

Ein rein nationales Erzeugnis des deutschen Jachtbaues sind unsere Seefahrtklassen, beginnend rnil dem 30 qm-Seefahrtskreuzer bis zum 250 qm-Kreuzer. Im Gegensatz zu der langen Reihe der hier aufgeführten Yachttypen mit mehr oder minder extremen Konstruktionsgrundsätzen weisen die nationalen Seefahrtkreuzer bei sonst normalen Verhältnissen eine kräftige Verdrängung im Verhällnis zu den Rumpfabmessungen bzw. zur Segelflächeneinheit auf. Ein gutes Beispiel dafür sind die in Bild 29 und nachfolgend dargestellten nationalen Seefahrtkreuzer. Sie verkörpern ganz ohne Zweifel die gewünschte glückliche Vereinigung der beiden wichtigsten Eigenschaften eines typischen Seefahrlkreuzers, nämlich Seetüchtigkeit und Schnelligkeit. Das gilt bestimmt von den drei kleinsten Kreuzerklassen. Man darf ferner bei einem Seekreuzer nie vergessen, daß neben der unbedingt erforderlichen Seetüchtigkeit und Wohnlichkeit auch eine starke, den Anforderungen der See entsprechende Bauart zu verlangen ist.

Die Anforderungen der Seetüchtigkeit bedingen nun eine relativ große Verdrängung, S-förmige Spanten des Mittelschiffes mit nicht zu flachem Boden und zu harter Kimm sowie V-förmige Spanten der Überhänge. Wenn an den Vorschriften der nationalen Seefahrtkreuzerklassen noch etwas zu verbessern ist, so ist es die Bestimmung, die die Anwendung reichlich langer Überhänge erlaubt (= 50% der Wasserlinie). Ausgesprochene Seesegler vertreten den Standpunkt, daß die Summe der Überhänge 25% der Länge der Konstruktionswasserlinie nicht überschreiten dürfte. Ich bin auf Grund vieler Erfahrungen mit den von mir gebauten Seekreuzern zu der Überzeugung gekommen, daß es keineswegs so sehr auf die Länge, sondern nur auf die Formung der Überhänge ankommt. Der Seekreuzer soll U-förmige, also flach geformte Überhänge vermeiden. Scharf ausgezogene Überhänge, selbst wenn der Konstrukteur die gestatteten 50% der Wasserlinienlänge ausnutzt, tun einem sonst richtig durchkonstruierten Boot bestimmt keinen Abbruch, sie erhöhen nur das schnittige Aussehen des Oberwasserschiffes. Und diese Ästhetik der Form, die im Großschiffbau nur zu oft der Zweckmäßigkeit weichen muß, läßt sich im Jachtbau nicht ausschalten. Der Körper einer Segeljacht soll sich durch schnittige Form und harmonisch abgestimmte Verhältnisse auszeichnen.

Einen solchen, unter voller Ausnutzung der Klassenbestimmungen entworfenen nationalen Seefahrtkreuzer stellt Bild 29 dar, während der Konstrukteur des in Bild 32 dargestellten 40 qm-Seefahrtkreuzers ganz bewußt andere Wege ging. Er suchte unter bewußtem Verzicht auf erfolgreiche Regattatätigkeit ein noch wesentlich seetüchtigeres Boot zu schaffen, als es die gestatteten Höchst- und Mindestbegrenzungen der Meßvorschriften erlaubten.

Das führt uns am besten Bild 32 i vor Augen. Die ausgezogenen Linien stellen den normalen Meßformelentwurf mit langen Überhängen dar (= 50% der Wasserlinie), die gestrichelten Linien dagegen einen Neubau. Beide Entwürfe nützen die gestattete Höchstlänge in der Wasserlinie und den größten Tiefgang voll aus. Dafür ist Freibord und Sprung des Neubaues erheblich größer. Dasselbe gilt auch von der Verdrängung, die die Mindestverdrängung der Klasse um rund 1,3 t überschreitet. (Neubau = 6,9 qm Segelfläche je Tonne Verdrängung, Normalentwurf == 8,9 qm je Tonne.) Die Spantformen des Neubaues sind für ein gutes Seeboot typisch.

Das von den 40 qm-Seekreuzern Gesagte gilt auch für den in Bild 33 dargestellten 30 qm-Seefahrtkreuzer, der zur Zeit noch im Bau begriffen ist. Spantform und Lateralplan sind beim letzteren noch ausgeprägter. Um ein langsames Boot zu vermeiden, betragt hier das Verhältnis der Segelfläche zur Verdrängung 7.5 qm je Tonne.

Einige kurze Probefahrten des größeren Kreuzers (Bild 32) in den letzten Herbsttagen dieses Jahres ergaben trotz der fast 6 t betragenden Verdrängung ein absolut schnelles Schiff, falls der Wind über 6 m betrug. Es war verblüffend, welche vorzügliche Höhe es heraussegelte und wie weich und nachgiebig es trotz des schweren Bleikiels in harten Böen arbeitete. Der geistige Urheber dieses Entwurfes hatte in Anbetracht der großen Verdrängung und des Bleikielgewichtes ein zu steifes Schiff befürchtet.

Endlich zeigt Bild 34 einen kleinen 20 qm-Küstenkreuzer. Da aber seine Konstruktionsgrundlagen ganz ähnliche wie bei den schon erwähnten normalen Seefahrlkreuzern sind, kann hier eine besondere Erläuterung fortfallen. Je Tonne Verdrängung besitzt er bereits 9 qm Segelfläche und ist trotz seiner äußeren Eleganz ein vorzügliches Boot für unsere Oslseekuste.

Scheinbar ist der deutsche Jachtbau um so produktiver geworden, je schwieriger sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bei uns gestalteten. So wurden z. B. in den letzten fünf Jahren nicht weniger als drei neue Einheitsklassen, nämlich der 10 qm-E. Z. (Rennjolle), die 12 qm-Scharpiejolle und die 10 qm-Olympiajolle neu geschaffen. Hinzu kommen noch fünf Versuchsklassen, nämlich das Walboot, die 25 qm-Einheitskieljacht, der 30 qm-Einheitsküstenkreuzer, der 15 qm-JoIIenkreuzer und die 10 qm-Wanderjolle.

Da sich zur Zeit über diese Klassen und ebenfalls über die neue Star- und Drachenklasse noch kein abschließendes Urteil fallen läßt, die letzteren beiden Klassen zudem keine deutschen Erzeugnisse sind, möchte ich keine Kritik üben. Sie können aber aus diesen zahlreichen Vorschlägen ersehen, daß der deutsche Jachtbau seinen Weg aufwärts verfolgt.

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