Nationale 30 qm Klasse

G. Schneggenburger in "50 Jahre PYC", 1941



Auf dem 21. Seglertag 1913 stellte der Potsdamer Yacht Club unter Beteiligung der Vereine: Akademischer Seglerverein, Berlin. Berliner Yacht Club, Segel Club Ahoi, Zeuthener Seglerverein, Segelvereinigung 03 und Verein Seglerhaus am Wannsee einen
Antrag auf Schaffung einer offenen nationalen Bootsklasse von 30 qm Segelfläche. Die Bestimmungen für diese Klasse sollen sich auf ähnlicher Basis bewegen, wie für die nationalen Kreuzerklassen, das heißt, es soll tunlichst eine Maximalbegrenzung der Segelfläche und des Tiefganges, sowie eine Minimalbegrenzung des Gesamtgewichtes und der Breite bei Festlegung eines gewissen Rauminhalts stattfinden. Der Deutsche Seglertag 1913 wolle eine siebengliedrige Kommission wählen, welche die vom Vorstande zu erlassenden Bestimmungen schnellstmöglichst ausarbeiten soll, so daß Bauaufträge noch rechtzeitig für die Saison 1914 erteilt werden können.

Der seinerzeitige PYC-Vorsitzende August Mütze begründete den Antrag. Er führte unter anderem aus, daß die Klasse zur Ausfüllung der Lücke zwischen der 45qm Kreuzer- und der Jollenklasse gedacht sei. Man wolle einen Flossenkieler, aber keine Jolle haben, und der aufgetauchte Plan, auch diese Klasse mit Kajüte auszustatten, läge den Berliner Absichten völlig fern.

Der Antrag wurde angenommen und nach Festlegung der Bauvorschriften gab August Mütze sofort bei dem Konstrukteur Schmidt-Altherr einen neuen Dreißiger in Auftrag. Außerdem stiftete der Potsdamer Yacht Club einen wertvollen Ermunterungspreis, der im Jahre 1914 auf sämtlichen offenen Wettfahrten des PYC auszusegeln war.

Sechzehn Yachten waren bereits in Dienst gestellt und im Kampf um
unseren Ermunterungspreis lagen nach der vierten Wettfahrt die Yachten „Wunsch IlI" (A. Mütze, PYC) und „Atout“ (Hahn, SC Ahoi) mit gleicher Punktzahl in Führung. Da setzte der Ausbruch des Weltkrieges dieser Entwicklung ein jähes Ende.

Der Ausgang des Krieges stellte den deutschen Segelsport vor veränderte, vollständig neue Aufgaben. Vorher als Deutschland Weltmacht war, als die am Segelsport interessierten Kreise, insbesondere die aktiven Rennsegler, unter wirtschaftlich günstigen Verhältnissen ausreichend Zeit zur Ausübung des Rennsegelsportes hatten, als der Deutsche Segler Verband noch Mitglied des IYRIU war, da lag der Schwerpunkt im internationalen Wettkampf. Jetzt dagegen galt es, alle Kräfte im nationalen Segelsport zu sammeln.

Wenn eine solche Umstellung unter ungünstigsten politischen Verhältnissen und ständig neuen Wirtschaftskrisen gelang, so glauben wir, daß dies nur ino^lich war durch die von uns in den Jahren vor dem Weltkrieg geschaffenen und geförderten Renn- und Kreuzerklassen. Wir möchten dies hier ausdrücklich feststellen.



"Stipper XXVI", ex "Marama III", entworfen und erbaut von W. v. Hacht 1923
Linienriß und Konstruktionszeichnung siehe unten


Nachdem im Jahre 1919-1921 die Bautätigkeit wieder einsetzte und eine größere Anzahl von Yachten im Besitze bekannter Rennsegler war, stiftete der PYC einen Herausforderungspreis, um die weitere Entwicklung dieser schönen nationalen Rennklasse zu fördern. Ab 1922 wurde Jahr um Jahr in Sonderwettfahrten auf dem Wannsee um diese Trophäen gekämpft. Es war ein Kampf der Konstrukteure und erfolgreichen Rennsegler, die beide ihr Bestes gaben und hier neue Anregungen zur Weiterentwicklung der Rennklasse erhielten.

Im zweiten Jahre dieser Sonderwettkämpfe (1923) startete die stattliche Anzahl von 24 Yachten, darunter fünfzehn Neubauten. Ausländische Konstrukteure wie Mylne, Estlander schickten ihre Yachten ins Rennen und unsere Hamburger Freunde waren unter anderen mit den erfolgreichen Booten „Marama III" (Schlubach, NRV) und „Lilo" (Malmberg, H. Y. C. und NRV.) am Start. Die Hochtakelung beherrschte bereits das Feld.

Viele jener Konstruktionen, die heute Allgemeingut der Segeltechnik sind, wurden zunächst für diese Klasse entwickelt und in den Wettfahrten erprobt. Als solche sind unter anderem zu erwähnen: Gaffellose Hochtakelung, verfeinerte Durchbildung des stehenden und laufenden Gutes.

Eine Wendung nahm die Entwicklung, als der schwedische Konstrukteur Estlander auf dem Plan erschien. Seine erste erfolgreiche Konstruktion in dieser Klasse „Rheingold III" (L 129) wurde 1924 unter Führung von Walther Engel dritter Punktsieger, im darauffolgenden Jahr erster Punktsieger. Die nächste von Estlander gezeichnete Yacht „Baldur" (L 148) kann wohl als sein größter Erfolg angesprochen werden. Nachdem „Baldur" — späterhin nach Wechsel des Eigners „Heinerle" — 1926 unter der meisterhaften Führung von Gaebler im Trimm war, war sie in aufeinanderfolgenden fünf Jahren viermal Sieger und zweimal endgültiger Gewinner der letzten beiden Jubiläumspokale des Potsdamer Yacht Clubs.

Franz Moedebeck (BSC.), der zuvor den ersten Jubiläumspokal des PYC 1923 mit „Carmen IV" gewann, und Jahr um Jahr für diese Rennen eine neue Rennyacht baute, gelang es nur 1929 mit „Carmen X", einer Gravenholdt’schen Konstruktion, die Siegeslaufbahn von ,,Baldur"-„Heinerle" zu unterbrechen.



Links: Wannsee - Jubiläumspokal 1929: L 130, L 156, L 146, L 148
Rechts: Die erfolgreichsten Yachten 1928: L 148 "Heinerle II" und L 171 "Carmen IX"


Diese beispiellosen Siege der Estlanderschen Schöpfungen nahmen einen entmutigenden und lähmenden Einfluß auf die Neubautätigkeit in der 30qm Binnenklasse. Hinzu kam, daß sich das Interesse der Rennsegler den neu eingeführten Schärenkreuzerklassen zuwendete. Im Jahre 1930 meldete zu den Jubiläumsregatten des PYC nur noch Elzmann seinen „Heinerle". Eine Einzelklassenwettfahrt kam daher nicht mehr zustande und der PYC entschloß sich, den Jubiläumspokal mit Genehmigung des Vorstandes des Deutschen Seglerverbandes nun als Herausforderungspreis in der Berliner Herbstwoche aussegeln zu lassen, in der er dann von Heinerle endgültig gewonnen wurde.

Die Ergebnisse der vom PYC veranstalteten 9 Sonderwettfahrten in einer übersichtlich gehaltenen Tabelle:



Nachtrag:
Linienriß und Konstruktionszeichnung "Stipper XXVI":

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