In See mit der eigenen Yacht

Text: H. de Meville, Illustrierte Zeitung, 1909; Foto Kai Greiser


Im Anschluss an unsere Ausführungen über die Kosten, die für die Anschaffung und Unterhaltung einer seegehenden Yacht erforderlich sind, dürfte es für viele Leser nicht unerwünscht sein, auch über das Segeln auf See selbst, den Dienst an Bord, die Handhabung und Navigierung einer Yacht in See und last but not least ihre zweckmäßige Einrichtung einiges zu erfahren. Zunächst sei für den Anfänger einmal festgestellt, dass die ,Gefahren' der offenen See meist stark übertrieben werden. In freiem Wasser, wo keine Strandung zu befürchten ist, kann ein gut und solide gebautes Fahrzeug kaum ein Wetter finden, dem es nicht gewachsen wäre. Wohl aber erfordert es eine ziemlich große Praxis, wenn man den Aufenthalt in der Kajüte eines kleinen Bootes auch bei schlechtem Wetter noch behaglich machen will, und ganz wird dies überhaupt nur bei Fahrzeugen gelingen, die nicht mehr gerade zu den allerkleinsten gehören.

Wer also seinem inneren Menschen den gelegentlichen Verzicht auf ein warmes Mittagessen nicht glaubt zumuten zu dürfen, der muss schon auf längere Reisen in einer kleinen Yacht verzichten. Ebenso wie Leute, die in Bezug auf nasse Kleidung und Ähnliches allzu empfindlich sind. Andererseits wird es aber kaum jemand bereuen, wenn er dem Versuch, sich mit derartigen Dingen abzufinden, nicht gar zu ängstlich aus dem Wege geht.

Die Grundlagen der Kunst des Segelns selbst muss natürlich beherrschen, wer auf See segeln will, ebenso wie eine genaue Kenntnis der Ausweichregeln und ähnlicher Dinge aus dem Gebiete der Seemannschaft unbedingt erforderlich sind. Dagegen bewegen sich die erforderlichen Fähigkeiten in der Navigation - dem wissenschaftlichen Teil der Seemannschaft - innerhalb sehr bescheidener Grenzen, selbst bei der Führung schon recht stattlicher Yachten.

Die Kenntnis des Kompasses und seiner Verwendung, die Fähigkeit, Log, Lot und Seekarten richtig und sachgemäß zu benutzen, sowie schließlich einige Erfahrung im Gebrauch des Barometers - das ist im schlimmsten Falle alles, was nötig sein dürfte, um die ganze Ostsee als selbstständiger Führer der eigenen Yacht zu bereisen.

Wer im Übrigen noch weitere Reisen machen will und Interesse genug für seinen Sport in sich fühlt, dem kann nur empfohlen werden, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, sich - unter Befreiung von dem für Berufsseeleute erforderlichen Fahrzeitnachweis - das Schifferpatent für kleine Fahrt zu erwerben. Der Besuch einer Navigationsschule ist selbst für den Berufsseemann nicht erforderlich; man kann sich also die nötigen Kenntnisse durch Selbststudium oder durch Privatunterricht daheim erwerben und sich dann irgendwo zum Examen melden.

Tatsächlich beschränken sich die notwendigen navigatorischen Arbeiten in unserem Falle auf das Feststellen des Schiffsortes durch Peilung von Landobjekten, das Absetzten des Kurses in der Karte und eventuell die Aufmachung eines sogenannten ,gegissten' Besteckes nach gesteuertem Kurs und gelaufener Fahrt. Vor dem ,Verlaufen' in See braucht man kaum mehr Sorge zu haben als vor den Gefahren des obligaten Seesturmes.

Soweit wie irgend möglich sollte man die nötigen navigatorischen Kenntnisse sich übrigens durch die Praxis und an Deck seiner Yacht zu erwerben suchen. Der schöne Satz von der grauen Theorie gilt kaum irgendwo mehr als auf See, und eine Stunde Anschauungsunterricht bringt den eifrigen Adepten weiter als ein halber Winter über den verschiedenen Lehrbüchern. Ein älterer, erfahrener Skipper wird freilich mindestens im ersten Jahre für den Anfänger eine Notwendigkeit sein, wenn er wenigstens mit einem mittelgroßen Boot und bezahlter Mannschaft längere Reisen in See machen will, und in dieser Lehrzeit muss man eben mit der Stellung eines .Eigners' - der bekanntlich auf seiner Yacht oft am wenigsten zu sagen hat - zufrieden sein. Es ist aber in jedem Falle besser, eine solche Lehre durchgemacht zu haben, als ohne sie gelegentlich mit dem vollem Bewusstsein der Verantwortung für Passagiere und Mannschaften in Situationen zu stecken, die für den, der nicht ein ganzer Seemann ist, sehr ernst werden können.

Ruhe und kaltes Blut sind allerdings Eigenschaften, die der Seemann haben oder sich anerziehen muss; und wenn man schon durchaus Angst haben muss, so hüte man sich wenigstens, sie zu zeigen. Im Übrigen aber denke man stets daran, dass man in fünf Metern Wasser ebenso gut ertrinken kann wie in 50; die Sache wird damit nicht, wie viele Leute sich einzubilden, schlimmer.

Neben den erforderlichen seemännischen und navigatorischen Kenntnissen gehört aber auch eine ganz bedeutende Praxis dazu, sich das Leben an Bord zweckmäßig und behaglich zu gestalten, und dabei findet der Anfänger gerade über diesen Gegenstand nur sehr bescheidene Informationsquellen.

Eine große Rolle spielt auf kleinen und mittleren Yachten schon die Einrichtung der Innenräume, und der Neuling merkt meist erst zu spät, wie viel auf diesem Gebiet gesündigt werden kann. In jedem Falle hüte man sich vor überflüssigen Abhärtungsexperimenten.

Es hat absolut keinen fördernden Einfluss auf die seemännischen Qualitäten des Betreffenden, wenn er bei einigermaßen rauem Wetter seine Nächte mangelhaft gesättigt und die Wolldecke zwischen den Zähnen - um das, Klappern' zu vermeiden - auf einem nassen, harten Lager verbringt. Denn auch der raueste Seebär tut das mit besonderer Vorliebe bloß in Romanen, in der Praxis nur, wenn er muss - und dann flucht er sehr ausgiebig!

Die Einrichtung der Kajüte, deren Grundlagen durch die Größenverhältnisse gegeben und vom Konstrukteur durch langjährige Praxis richtig und zweckmäßig eingeordnet sind, sei gediegen, aber einfach. Sie vermeide aber auf der anderen Seite nichts, was dazu dienen kann, einen längeren Aufenthalt behaglich zu gestalten. Wird die Hauptkajüte nur als Schlafraum benutzt, so wird es immer zweckmäßiger sein, die Kojen in Gestalt aufklappbarer Rücklehnen an den Sofas anzubringen, als diese selbst als Schlafplätze zu benutzen. Ohne die geringsten Unbequemlichkeiten ist bei dieser Anordnung der Schlafraum im Augenblick wieder zum Salon avanciert, und, wie gesagt, man sollte nie so weit .Seebär' zu werden versuchen, um dies nicht wünschenswert zu finden.

Bilderschmuck gehört nur in die Kajüten sehr großer Yachten. Auf kleineren Fahrzeugen sei die Decke mit weißer oder elfenbeinartiger Lackfarbe gestrichen, an den Wänden und den eingebauten Möbeln diene das rohe Holzmaterial, am besten Mahagoni, in sauberer Politur und mit großen, wenig gegliederten Flächen wirkend, als einziger Schmuck. Teppich und Gardinen - Letztere aus dunklem Stoff mit einfachem Muster oder nur durch die Farbe wirkend - werden die Wohnlichkeit erhöhen.

Ein wunder Punkt ist das Oberlicht der Kajüte auf kleineren Fahrzeugen, und wenn man es entbehren kann, verzichte man gern und willig auf seinen Einbau. In rauem Wetter, wenn die Luft im Schiffs-innern am meisten der Erneuerung bedarf, kommt durch dieses schöne, große Oberlicht zwar weder frische Luft noch Licht in die Räume, dieweil es ,verschalkt' sein muss - wohl aber Wasser. Ein Oberlicht, das dicht hält, gibt es einfach nicht, und die salzigen Fluten, die, oft in recht ansehnlichen Quantitäten, hier einen Weg ins Innere finden, bilden eine ständige Quelle des Ärgers.

In Bezug auf die ,Magenfrage' hat die Seefahrt auch mit kleinen Fahrzeugen viel von ihren früheren Schrecken verloren, und bei ausgiebiger und zweckentsprechender Anwendung von Kochkisten und ähnlichen Erfindungen der Neuzeit kann man fast unter allen Umständen wenigstens eine warme Mahlzeit sich selbst bei schlechtem Wetter verschaffen. Für stabiles Geschirr ist natürlich Sorge zu tragen, und auch hier ist es wieder eine zarte Übertreibung, wenn man den bereits zitierten Seeleuten der alten Schule eine besondere Vorliebe für das Trinken der Suppe aus dem .Südwester' nachsagt. Als Tafeltuch verwende man auf See eine abwaschbare Wachstuchdecke; denn ein Teil der nicht absolut konsistenten Speisen, und manchmal auch diese, findet immer den Weg auf den Tisch.

Für den Alkoholkonsum stellt man zweckmäßig die Parole auf: Wenig, aber das Beste, was es gibt. Ein gutes, aber sehr gutes Glas Grog ohne allzu starken Wasserzusatz ist nach einer kalten, nassen Deck-wache nicht zu verachten und erhöht die Behaglichkeit der Koje ganz ungemein. An Deck selbst ist ein Schluck heißer, starker Kaffee entschieden vorzuziehen.

Hat man Passagiere an Bord, so vergesse man nicht, dass man für ihre Sicherheit mindestens moralisch verantwortlich ist. Für Leute, die nicht daran gewöhnt sind, ist bei schlechtem Wetter und schwerer See das Deck einer kleinen Yacht kein Aufenthaltsort; es sei denn, sie ließen sich festbinden. Eine überbrechende See hat schon, selbst auf größeren Fahrzeugen, manchen seegewohnten Matrosen mit über die Reling genommen, also: Vorsicht und nötigenfalls auch ein wenig Energie.

Dasselbe gilt auch für die etwaige Mannschaft. Ein notwendiges Manöver muss natürlich gemacht werden, auch wenn seine Ausführung gefährlich ist. Man vermeide aber die unnötige Gefährdung von Leben oder Gesundheit der Leute und sorge, wo es möglich ist, auch hier für Sicherheitsvorkehrungen;
Leichtsinn und Fahrlässigkeit bei der Handhabung von Booten wie Fahrzeugen ist weder ,schneidig' noch seemännisch.

Wie ein Kriegsschiff, so soll schließlich auch eine Yacht schon äußerlich ihren Charakter durch die tadelloseste Sauberkeit in jeder Beziehung dokumentieren. Ein liederlich über Bord hängendes Tau oder dergleichen wirkt auf den seemännischen Kritiker genauso wie auf uns an Land etwa die unsaubere Wäsche eines schlecht angezogenen Menschen. Auch die Führung von Fantasieflaggen, das Wehen der Nationalflagge nach Sonnenuntergang und vieles andere gehört zu den Dingen, die der Anfänger sich als grobe Verstöße gegen die seemännische Etikette merken muss.

Ganz leicht und einfach ist es also nicht, wenn man den Posten eines Führers der eignen Yacht ausfüllen will, aber - wohl niemand, der nur einigermaßen Sinn für die unvergänglichen, ewigen Schönheiten der See hat, wird es bereuen, sich gerade diesem Sport zugewandt zu haben.

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