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Das Revier des Weserseglers und seine Boote 1935 |
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Der Rotesand-Leuchtturm ist das Wahrzeichen der Wesermündung. |
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Das Hauptgebiet der Bremer Segler, wenn man vom Jollensegeln auf der Oberweser absieht, ist die Weserstrecke von Vegesack bis Bremerhaven, für längere Fahrten die Außenweser bis Helgoland und Cuxhaven, wenn man durch den Kanal zur Ostsee kommen will. Der Bremer Segler hat demgemäß von Vegesack bis zum Nordostseekanal ein Revier mit sehr starkem Strom. Wer dies Segeln kennt, weiß, daß man in derartigem Revier in jeder Beziehung mit dem Strom rechnen muß. Da das ankernde Schiff auch immer in den Strom dreht, muß, sofern nicht der seltene Ausnahmefall eintritt, daß Wind und Strom aus einer Richtung kommen, die Bedienung der Segel fahrend, d. h. bevor der Anker geworfen ist, ausgeführt werden. Dasselbe gilt für das unter Segel gehen. Da der Tidenhub in diesen Gewässern nahezu 3 m beträgt und der Strom bis zu 4 sm/std. Geschwindigkeit erreicht, muß bei der Wahl des Ankerplatzes, zumal sich nach dem Ankern die Windrichtung verändern kann, besonders sorgfältig vorgegangen werden. Weil ferner bei einem Ankern über Nacht in der Regel der Strom kentert, d. h. Ebbe zur Flut oder Flut zur Ebbe wechselt, besteht stets die Gefahr, daß die Kette sich beim Schwoien an der hochstehenden Flunke des Ankers verhakt und das treibende Schiff in das Dampferfahrwasser getrieben wird. Es wird in der Regel mit Strom, d. h. entweder mit der Ebbe oder mit der Flut gesegelt. Beim Kreuzen steht deshalb stets der Wind gegen Strom und wühlt bei einer nicht allzu großen Windstärke in dem Unterweserrevier eine steilzackige See auf. Diese Umstände bedingten es, daß die Boote der Unterweser von jeher sehr fest in ihren Verbänden und auch die Takelage und Ausrüstung stets in allerbestem Zustand sein mußten. Fast alle größeren Bremer Yachten machen Pfingsten die Nordseewoche mit und häufig im Anschluß daran eine Ferienreise in die Ostsee. Wer die Verhältnisse nicht kennt, kann sich kaum vorstellen, welcher Aufwand an Zeit und Nerven und welches Maß an Erfahrung, Geschicklichkeit und Seemannschaft nötig ist, um das Fahrzeug von Bremen bis Cuxhaven zu überführen. Zunächst ist das Boot von Vegesack nach Bremerhaven zu bringen, was selten in einer Tide möglich ist, sondern schon eine Zwischenankerung erfordert. Mit Einsetzen der nächsten Flut muß dann ohne Rücksicht auf die Tagesstunde die Fahrt nach der Außenweser angetreten werden. Der Weg führt über Hohenweg-Leuchtturm, Feuerschiff Bremen, Rotesand-Leuchtturm, um die Scharhörnsände in die Elbemündung. Die Strecke BremerhavenScharhörntonne, welche mit ablaufendem Wasser zurückgelegt werden muß, ist an sich schon erheblich weiter, als die Strecke ScharhörnCuxhaven. Es muß daher schon vorher beurteilt werden, ob es Zweck hat, die Reise überhaupt anzutreten; denn bei flauen Winden und bei harten Gegenwinden Nordwest Nord ist es für ein Fahrzeug mittlerer Größe einfach nicht möglich, das Feuerschiff Elbe I bzw. Scharhörntonne vor Eintritt des Flutstromes zu erreichen. Es kommt häufig vor, daß Segler vor dieser Umfahrt drei bis vier Tage warten und oft in der Nähe des Hohenweg-Leuchtturmes wegen zu harten Seeganges doch wieder umkehren müssen. Die Strecke Elbe ICuxhaven mit Flut im Rücken wickelt sich in der Regel sehr leicht ab. Während hier die Betonnung und das Feuerschiff ein sehr einfaches Navigieren gestatten, ist es von Bremerhaven bis Scharhörnriff wegen der gefährlichen Sande und zum Teil engen Fahrwassers nur bei sichtigem Wetter möglich. Durch alle diese Umstände ist aber gerade der Bremer Segler mit allen Schwierigkeiten vertraut, so daß ihm die Ostsee selbst meist nur geringere Anstrengung macht, während nach Cuxhaven zurückgekehrt die Rückfahrt nach Bremerhaven wieder nur bei günstigem Wetter möglich ist. Von den kleinen Fahrzeugen hatten sich zunächst die schwergebauten hochbordigen Weserjollen eingeführt. Diese karweel gebauten Jollen hatten eine Länge von 5 bis 6 m und fuhren verhältnismäßig trocken, weil sie sich, wie vorher beschrieben, dem Weser-Seegang gut anpaßten. Die nächstgrößeren gedeckten Boote waren auch meist gedrungen und hochbordig und besaßen verhältnismäßig wenig Besegelung. Sie mußten in ihren Kielverbänden stark sein, um bei dem häufigen absichtlichen oder unabsichtlichen Trockenfallen auf Schiengen oder auf dem Watt widerstandsfähig zu sein. Die größten Turenboote, welche ihren Fahrtbereich bis Helgoland bzw. Cuxhaven ausdehnten, mußten die denkbar größte Seefähigkeit besitzen, denn in diesen genannten Revieren besteht keine Unterschlupfmöglichkeit und die Boote müssen unter allen Umständen durchhalten. Mit der Einführung der Klassenboote sind bei allen Bootsklassen schnellere Boote entstanden, welche aber in jeder Beziehung schwächer sind und nasser segeln. Im Gegensatz zu den beschriebenen, aus der Notwendigkeit entstandenen Typen, sind alle Klassenboote niedrig und nur bei sehr großer Schiffslänge wohnlich. Es ist wohl nur dem Wunsche, bei Wettfahrten gegen gleichwertige Kämpen antreten zu können, zuzuschreiben, daß die verschiedenartigen niedrigen Jollen, 22- und 30-m2-Schärenkreuzer und manche andere Klassen Vertreter auf der Weser gefunden haben. Schon brauchbarer waren die Sechser, und jetzt setzt man für den Regatta-Turensegler im wesentlichen auf die Seefahrtklassen. Dieser Wunsch ist ganz allgemein, denn alle Versuche durch Handikap-Formeln (KR-Formeln) die Ausgleichsyachten zu messen, haben sich doch immer wieder als Behelf herausgestellt.
Die Entwicklung des Wassersportes im Weserkreis geht bis in die achtziger Jahre zurück. Allerdings entstanden damals nur einige wenige Segel- und Rudervereine. Die Anlagen waren noch recht klein und unbedeutend, dafür wurde aber der Sport mit um so größerer Liebe und zäher Ausdauer getrieben. Etwa von 1900 bis zum Ausbruch des Krieges wurden noch einige Segelvereine an der Weser und Lesum gegründet, die in erster Linie dazu beitrugen, daß der Segelsport im Wesergebiet volkstümlich wurde. Die in Bremen-Stadt und an der Mittelweser beheimateten Vereine übten den Wassersport vielfach auf der Mittel-und Oberweser aus, während naturgemäß die Vereine des Wümme-Hamme-Ochtum-Gebietes mit ihren meist kleinen handigen Fahrzeugen die idyllischen Wasserzüge des Binnenlandes im Weserkreise bevölkerten. Hier wurde auch meistens der Paddelsport oder der Motorbootsport betrieben, während auf Mittel- und Oberweser wie auf der Unterweser neben großen Yachten zahllose vorzügliche Jollen-Typen anzutreffen sind. Von den 49 Vereinen betrieben siebenunddreißig den Segelsport, vier den Rudersport, zwei den Motorbootsport und elf den Paddelsport. Namentlich in fast allen Segelvereinen, aber auch in einzelnen Ruder- und Paddelsportvereinen, waren und sind noch heute viele Motorboote mit registriert. Die Zahl der Fahrzeuge setzte sich im Jahre 1933 im Wassersport des Weserkreises wie folgt zusammen: 843 Segelfahrzeuge, 620 Motorboote, 235 Ruderboote und 627 Paddelboote. Im ganzen also 2325 Fahrzeuge. Diese Fahrzeuge waren im Besitz von rund 3100 ausübenden Mitgliedern, wozu rund 2900 unterstützende, Ehren- und Juniorenmitglieder kamen, so daß der Verband rund 6000 Mitglieder zählte.
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