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“Kurz und gut”: Jolly Volker Wollny unter Mitarbeit von Jens Burmester, Wilfried Horns, Detlef Huss |
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Zwischen Wochenendkreuzer und Rennboot
Sucht man die Wiege dieses Bootstyps, muss man dies in den märkischen Gewässern tun. Um Berlin tauchten vor dem ersten Weltkrieg die ersten Exemplare dieses Bootstyps auf. Allerdings verliert sich seine früheste Jugend fast vollständig im Dunkel der Geschichte. Nach Meinung einiger Jollenkreuzerfans gibt es dieses Boot schon seit weit über hundert Jahren, bereits Theodor Fontane soll es gesegelt haben. Es spricht im Prinzip auch nichts dagegen, dass es in jenen Tagen bereits Boote gegeben hat, welche die Formstabilität der Jolle sowie ihr aufholbares Schwert mit der Kajüte einer kleinen Yacht, eben eines Kreuzers, verbanden. Und diese Synthese ist ja genau das, was den “Jollen-Kreuzer” im wörtlichen Sinne ausmacht. Zudem steht außer Frage, dass es im vorletzten Jahrhundert größere Schwertboote gegeben hat: Vor allem wurden sie auch als Beiboote auf Kriegs- und Kauffahrteischiffen gefahren. Und bei der Betrachtung der Risse von Kuttern und Barkassen der Reichsmarine, wie man sie im Standardwerk “Bootsbau” des Admiralitätsrates Brix finden kann, juckt es einem auch heute noch förmlich in den Fingern, ein solches Boot mit einer Kajüte zu verse-hen. Bestimmt hat es schon damals den Typus des bastelnden Seglers gegeben, welcher sich ein ehemaliges Arbeitsboot für seine persönlichen Belange herrichtet. Da wir nun schon einmal bei der “Ahnenreihe” und der “Verwandtschaft” der Jollenkreuzer sind, dürfen wir auch nicht vergessen, die damaligen riesigen amerikanischen Schwertyachten zu erwähnen. Überhaupt hat man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht wenig mit dieser Bauweise experimentiert, da sie doch eine recht einfache Lösung des Problems darstellt, am Wind genügend Lateralfläche zu haben und gleichzeitig auf raumen und Vorwindkursen in den Genuss einer geringen benetzten Oberfläche zu kommen. Ein großer Verfechter des Schwertbootes ist beispielsweise der Niederländer Hans Vandersmissen. In seinem Buch “Kustzeilen met kleine Jachten” erwähnt er einige mit Schwert ausgerüstete Seglertypen aus dem letzten Jahrhundert. Vandersmissen beschreibt in seinem Buch auch seine eigene PRIDE OF THE FLEET, einen yawlgetakelten Drascombe Drifter - sozusagen ein englischer Vetter der deutschen Jollenkreuzer - und berichtet dabei von Fahrten über die offene See bis nach England und Nordfriesland. Er nimmt auch Stellung zum viel diskutierten Thema “Form- oder Gewichtsstabilität?” und gibt einige interessante Denkanstöße zur Frage der Seetüchtigkeit kleiner Boote. Nach der Definition, wie sie in “Seemannschaft - Handbuch für den Yachtsport” für den Begriff Seetüchtigkeit gegeben wird, ist bekanntlich das selbstlenzende Cockpit in Verbindung mit einem Ballastkiel der alleinige Königsweg zur Seetüchtigkeit. Durch einige Überlegungen relativiert Vandersmissen dieses Dogma erheblich. So gibt er zum Beispiel zu bedenken, dass ein selbstlenzendes Cockpit notwendigerweise komplett über der Wasserlinie liegen muss. Da es jedoch, wenn es vollständig voll geschlagen ist, auch nicht von einer Sekunde zur anderen leer läuft, bringt es zunächst einmal - je nach Größe der Yacht- einige hundert Kilo bis zu über einer Tonne Gewicht oberhalb der Wasserlinie und damit möglicherweise den Gewichtsschwerpunkt nahe an - oder sogar über - das Metazentrum, was erhöhte Kentergefahr bedeutet. Zudem wird ein leichtes Boot von schwerem Seegang mit nach oben genommen und tanzt gewissermaßen auf den Wellen. Das Kielboot dagegen ist in seiner tiefen Lage dem Ansturm der Brecher voll ausgesetzt. Aber kehren wir zurück zu den märkischen Seen und in das Berlin des Kaiserreiches. Wenn wir den Begriff des Jollenkreuzers nicht als allgemeine Bauweise, sondern als fest umrissene Bootsklasse betrachten, dann muss die Geburtsstunde dieses Bootes wohl in das Jahr 1910 gelegt werden. Da taufte nämlich ein gewisser Herr Wustrau, seines Zeichens Baurat, ein selbstkonstruiertes und -gebautes Boot auf den Namen “KURZ UND GUT”. Dieses Boot wird als der eigentliche Stamm-vater der Jollenkreuzer-Klasse ange-sehen. |
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1920-21 wurde das Segeln mit kleinen Booten von den “richtigen” Yachtseglern unter der wohlwollend - herablassend klingenden Bezeichnung “Kleinsegelsport“ anerkannt. Bereits am 16. Juni 1921 wurden dann auch erstmalig Bauvorschriften für “Zwei Jollenkreuzer-Klassen” (20 und 30 qm) im “Segelsport” veröffentlicht. Urheber war der B.K.V., der Berliner Kleinsegler-Verband. Auffallend, dass schon damals neben dem favorisierten Holz ausdrücklich auch “Eisen” zugelassen wurde. Natürlich ist mit dem Ausdruck “Eisen” unser heutiger Stahl gemeint, der damals noch allgemein so bezeichnet wurde. Außerdem war die Möglichkeit vorgesehen, den 30er auch zu beballasten, wobei aber für jedes Kilogramm Ballast ein Liter Auftriebsvolumen vorzusehen war. Dies sollte es ermöglichen, dieses Boot auch als Küstensegler auszulegen. Aus dem einführenden redaktionellen Text zu den Vorschriften geht hervor, dass dem Anerbieten des B.K.V., die Klassenvorschriften zu erarbeiten, eine “außerordentlich starke Beachtung” der “Frage des Jollenkreuzers” vorangegangen sein muss. Demnach - und der Tatsache, dass überhaupt Klassenvorschrif-ten erlassen wurden, folgend - darf man davon ausgehen, dass der Jollenkreuzer sich bereits einer gewissen Verbreitung erfreute. Gleiches lässt sich auch aus einem Artikel in einer im Herbst 1921 erschienenen Nummer des “Segelsport” des gleichen Jahrganges schließen, in dem ein Jollenkreuzer-Entwurf von Reinhard Drewitz diskutiert wird. Hier ist die Rede von “...Erfahrungen, die in den letzten Jahren mit Jollenkreuzern der verschiedenartigsten Typen gemacht worden sind.” An dem vorgestellten Boot fällt übrigens auf, dass es, einem leichteren Handling zuliebe, als Catboot geriggt war. Auf überregionaler Ebene nahm der D.S.B. (Deutscher Seglerbund) dann den Jollenkreuzer unter seine Fittiche und erließ Bauvorschriften für die 20er und 30er “Bundesjollenkreuzer”, welche dann 1924 etwas vereinfacht wurden, da sie „des Guten zuviel“ enthielten. Ganz beiseite stehen wollte der D.S.Vb. dann offensichtlich doch nicht und erließ zusätzlich noch seine eigenen Bauvorschriften. (1923: Einführung des 30qm und 25qm Jollenkreuzers, 1929 dann Einführung des 20qm Jollenkreuzers (nach D.S.B.-Vorschriften)) Von Anfang an wurde der Jollenkreuzer als “Wander-” oder, wie wir heute sagen würden, Fahrtenschiff konzipiert. Daher legte man vor allem Wert auf eine - zumindest der Bootsgröße entsprechend - geräumige Kajüte. Sie sollte, wenn auch nicht zum Tagesaufenthalt geeignet sein, so doch ausreichende Übernachtungsmöglichkeiten für zwei Personen bieten. Was die Bauweise betraf, erlaubte man sowohl Rundspanter mit Kraweel- oder Klinkerbeplankung als auch Knickspanter und Scharpies. Nun durften die Konstrukteure loslegen, und bereits in den Jahrbüchern 1924/25 inserierten die Männer des Reißbretts und warben für ihre Risse. Der Jollenkreuzer als Bootstyp mit diversen Jolly-Klassen war geboren. Tatsächlich gelang es, die eigentlich paradoxe Forderung nach einem Wander- und Wochenendboot mit ausreichender Übernachtungsmöglichkeit, welches gleichzeitig rennfähig sein sollte, zu erfüllen. Eine “Rennabteilung” zur “Pflege und Förderung des Segelsports” wurde beim D.S.B. noch 1924 gegründet und somit avancierte der brave Kreuzer zum Rennboot. Der erste Pokal für die brandneue Klasse wurde noch im gleichen Jahr gestiftet und zwar vom Jacht-Club Dämmeritzsee im Süden von Berlin. Zu Beginn des Jahres 1925 gab es unter den 2151 “Klein-Yachten”, welche beim D.S.B. gemeldet waren, bereits 87 20-qm-Bundes-Jollenkreuzer. Natürlich gab es auch hier Versuche, die Klassenvorschriften so auszulegen, dass man ein möglichst schnelles Boot bauen konnte. Immer neue Pläne kamen heraus, und irgendwann degradier-te man die älteren Boote zur B-Klasse, da man sich offensichtlich nicht zu einer Handicapregelung a la Yardstick durchringen konnte. |
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Ursprünglich waren ja die nationalen Kreuzerklassen, die 45er und 35er, als Wanderboote für die Binnenfahrt gedacht, wurden aber im Laufe ihrer Entwicklung für Wanderfahrten immer ungeeigneter, so durch die Einführung der Hochtakelung, die für Wettfahrterfolge sich aber als notwendig erwies. Was es heißt, einen Hochmast für eine Schleusenfahrt zu legen, wird jeder wissen, der es einmal versucht hat. Oder der Tiefgang des Kielbootes: Wenn man im engen Fahrwasser vor Anker gehen musste und zur Erreichung des Ufers schon das Beiboot benötigt, dann lernt man die Besitzer von Wanderjollen beneiden, die ihr Schwert hochholten und friedlich am Ufer schliefen. Für die Jollenkreuzer-Fans war eh klar: Ein Jollenkreuzer hat auch bessere Segeleigenschaften als etwa ein nationaler 45er Kreuzer. Die Fotos aus dem Jahrbuch des PYC lassen erkennen: Der 45er schiebt bereits erhebliche Lage, während der 30er Jollenkreuzer noch völlig aufrecht und schneller segelt. |
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Der durch das aufholbare Schwert - wenn auch mit Verlust der Amwind-Eigenschaften erkaufte - verminderbare Tiefgang ermöglicht es, mit dem Jollenkreuzer Wasserflächen zu erschließen, die für Kielyachten schlichtweg indiskutabel sind. Wer sich die von Deutschland aus leicht erreichbaren Reviere ansieht, wird feststellen, dass diese zwar äußerst reizvoll, fast durchweg jedoch flach sind. Viele Segler finden, dass das Meer eigentlich dort am schönsten ist, wo es mit dem Land zusammenstößt. Paradebeispiel: Die Boddengewässer. Solche Reviere erschloss -und erschließt - der Jollenkreuzer seinen Anhängern. Das gleiche gilt auch für das Wattenmeer, welches natürlich auch schon bald für Boote entdeckt wurde. Viele Jollenkreuzer wurden und werden mit legbaren Masten ausgerüstet. Was den Einsatzbereich dieses Schiffes weiter vergrößert: Viele schöne Reviere, vor allem binnen, weisen feste Brücken auf oder bewegliche, die nicht immer geöffnet werden. Mit streichbarem Mast jedoch kommt man immer und überall durch. Natürlich gab es immer wieder heiße Debatten über die technischen Details der Klassenvorschriften. Der für die Fahrtensegler nützliche, klappbare Mast wurde genauso diskutiert wie die Form des Schwertes. Für den Regattaeinsatz gab es Monster, bei denen das Schwert im aufgeholten Zustand nicht nur bis an das Roof der Kajüte reichte, sondern durch einen Schlitz in diesem noch darüber hinaus stand. Wer in seinem Jolly jedoch vor allem das Fahrtenschiff sah, baute nach einem Riss, bei dem das Schwert möglichst unter dem Kajüttisch verblieb. Ein weiterer Streitpunkt war das durchgelattete Großsegel. Nach heftiger Kontroverse wurde es zunächst verboten, dann aber nach heftigen Protesten von Seiten der Regattasegler wieder erlaubt. Getüftelt wurde immer wieder, um im Rahmen der Klassenvorschriften besonders schnelle Schiffe zu konstruieren, die allen anderen spielend den Tampen zeigten. Die solchermaßen auf die hinteren Plätze verwiesenen witterten Unrat und beließen es nicht dabei, die schnellen Schiffe als “Rennziegen” zu verunglimpfen. Sie waren der Meinung, bei diesen Konstruktionen seien die Klassenvorschriften zwar dem Buch-staben, nicht jedoch dem Sinne nach erfüllt worden. Diese schnellen Kisten hatte jedoch zumeist niemand anders als Richard Drewitz gezeichnet, der ja selbst bei der Ausarbeitung der Klassenvorschriften maßgeblich beteiligt gewesen war. Er verteidigte natürlich seine Risse vehement. |
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Die Bauzeichnungen des R 20 “Windbeutel” und des R 298 “Lause IV” kennzeichnen die Entwicklung vom schweren zum leichten Jolly, der an die Mindestvorschriften des Verbandes herangeht: Beim leichten ist die Kajüte ein ganzes Stück nach vorn gewandert. Hierdurch wird ein größeres Cockpit geschaffen, das der Mannschaft ein leichteres Arbeiten, insbesondere mit den großen Vorsegeln, erlaubt. Auch sonst ist zu erkennen, dass beim “Windbeutel” der Konstrukteur - beide sind von Altmeister Drewitz gezeichnet - den größeren Wert auf das Wohnen legte, während beim leichteren Jolle das Segeln im Vordergrund stand. Trotzdem ist die Einrichtung des leichten Jolly noch so gehalten, dass er auch für Wanderfahrten ausreichende Wohnlichkeit bietet. “Sein Eigner”, meldet die “Yacht”, “hat es nicht nötig, vor Regatten erst die gesamte Inneneinrichtung mit einer Karre an Land zu befördern, wie es auf schweren Jollies vor Wettfahrten durchaus üblich ist”.
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So wie alle Organisationen, welche nicht gleich verboten wurden, schaltete das Naziregime nach 1933/34 auch alle deutschen Seglerverbände gleich. Bekanntlich machten die Nazis ja nicht zuletzt auch mit dem Sport Politik. Von den oberen Ebenen wurden Bemühungen zur Durchführung von Meisterschaften angestrengt, denen der Dachverband aber Bedenken entgegenbrachte. 1934 kostete z.B. ein 20er Jollenkreuzer von Grunewald M 4200,-. Anderswo konnte man ihn, sicherlich in weniger guter Qualität, für M 3000,- erhalten. Das war für die damalige Zeit ein ordentliches Stück Geld. Auch später behaupteten böse Zungen immer wieder, wer einen Jolly kaufe, erhalte “wenig Schiff für viel Geld”. Trotzdem wuchs die 20er Klasse und es bildete sich eine “Interessengemeinschaft der 20er Jollenkreuzer”. Im Jahre 1937, in dem wieder viele Neubauten vom Stapel liefen, war man bei den 20ern bereits bei Segelnummern über 270 angelangt. Das erscheint heute nicht besonders hoch, da mittlerweile vierstellige Segelnummern keine Ausnahme mehr sind. Jedoch ist zu bedenken, dass es vor über fünfzig Jahren insgesamt nicht so viele Sportboote gab wie heute, da das Segeln damals noch alles andere als ein Volkssport war. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nahmen die Jollenkreuzer noch an der Nordseewoche des Jahres 1939 teil und auch 1940/41 gab es einige Regatten. So hielt Ungarn 1941 die einzige Kriegsmeisterschaft ab. Nach 1945 wurden dann die übrig geblie-benen Boote von der Besatzungsmacht beschlagnahmt, soweit die Eigner nicht rechtzeitig reagiert und diese versteckt hatten. |
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Der - auch unter Nichtseglern - wohl bekannteste Eigner eines 20ers war kein geringerer als Albert Einstein. Er war, obschon er nicht schwimmen konnte, ein guter Segler. Zu seinem fünfzigsten Geburtstag im Jahre 1929 bekam er von “drei Inhabern der Berliner Handelsgesellschaft”, wie die “Yacht” berichtete, einen 20er geschenkt. Aus demselben Artikel erfahren wir auch Näheres über Einsteins Jollenkreuzer. Schiffbauingenieur Adolf Harms, unter dessen Aufsicht er auch bei der Werft Berkholz & Gärsch gebaut wurde, hatte den “Tümmler” gezeichnet. Foto 1: An Bord seines Jollenkreuzers, der ihm von Freunden geschenkt wurde. |
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